Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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260. Der Kometenschweif im Laboratorium

Quelle: Svante Arrhenius: »Das Werden der Welten«, aus dem Schwedischen übersetzt von L. Bamberger. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig, 1908.

Der schon oft genannte geniale schwedische Forscher Svante Arrhenius hat in die astronomische Wissenschaft eine neue, heute schon sicher beglaubigte Theorie eingeführt, die zu den allerwunderbarsten Folgerungen führt. Sie vermag nicht weniger, als über die ungeheuren Zwischenräume, welche die Fixsterne voneinander trennen, Brücken zu schlagen, Verbindungen von einer der großen Sonnen zur andern herzustellen. So weit entfernt sie auch voneinander sein mögen, wir wissen nun, daß sie nicht mehr vereinsamt sind, sondern daß sich ein Güteraustausch zwischen ihnen vollzieht.

370 Arrhenius war es, der die hierbei wirkende Kraft erkannte: den Strahlungsdruck.

Ein auftreffender Lichtstrahl wirkt auf jeden Körper so, daß er ihn von der Lichtquelle zu entfernen strebt. Freilich ist der ausgeübte Lichtdruck außerordentlich schwach, sodaß er meist nicht bemerkbar wird. Aber um die Weltkörper herum, in weitesten Entfernungen von ihren Mittelpunkten, schweben allerkleinste Staubkügelchen, deren Durchmesser oft kleiner ist als 0,015 Millimeter. Wenn die Staubkügelchen so klein sind, wirkt der Lichtdruck stärker auf sie ein als die Schwerkraft, sodaß sie in den Weltenraum hinausgeschleudert werden und dort, wo keinerlei Reibung die Fortbewegung hemmt, fortwandern, bis sie – nach Jahrhunderten, nach Jahrtausenden oder nach Jahrmillionen – in den Anziehungsbereich irgend eines dunklen Körpers gelangen. Namentlich die kosmischen Nebel, die so ungeheuer weit ausgebreitet sind, sollen viel von diesem Staub einschlucken, sich damit anreichern, sodaß sie als Werdende sorgsam das aufsparen, was die großen Herrschaften, die Sonnen, sorglos ausstreuen. Demzufolge ist es nicht weiter erstaunlich, daß die Zusammensetzung der Materie auf allen Himmelskörpern überall ziemlich die gleiche ist, wie es das Spektroskop lehrt. Herrscht doch durch den Strahlungsdruck ein lebhafter Austausch von Materie im Weltenraum.

Auch Keime organischen Lebens können, da sie von genügender Kleinheit und Widerstandsfähigkeit sind, in gleicher Weise umhersegeln, überall da aufgehen und den Grund zu einer unübersehbaren Reihe von Entwicklungsstufen legen, wo sie auf einem Himmelskörper geeignete Verhältnisse vorfinden. Infolge dieser Panspermie, der Theorie von der Allgegenwart der Keime, brauchte also das Leben z. B. auf der Erde, als sie sich genügend abgekühlt hatte, durchaus nicht neu geschaffen zu werden. Es waren sofort Keime da, welche die große Darwinsche Stufenleiter von ganz unten her begannen.

Arrhenius wurde zur Aufstellung seiner Theorie vom Strahlungsdruck durch die Beobachtung der Kometenschweife veranlaßt. Es zeigt sich nämlich die eigentümliche Erscheinung, daß der Schweif eines Kometen, der in der Nähe der Sonne vorbeizieht, sich nicht, wie man infolge der Massenanziehung erwarten sollte, diesem Gestirn entgegenstreckt, sondern sich von ihm abwendet. Kometenschweife bestehen eben aus so feinen Partikelchen, daß ihnen gegenüber der Strahlungsdruck des Sonnenlichts die Gravitation überwiegt.

Daß diese Behauptung richtig ist, wurde vor einiger Zeit durch ein glänzendes Experiment einwandfrei nachgewiesen. Nichols und Hull erhitzten die Sporen des Bovist-Pilzes Lycoperdon, die fast kugelförmig sind und einen Durchmesser von etwa 0,002 Millimetern haben, bis zur Rotglut und erhielten so 371 ein überaus leichtes schwammartiges Pulver. Es wurde mit etwas Schmirgelpulver gemischt und in ein doppelkegeliges Glasgefäß, ähnlich dem der Sanduhren, getan, aus dem die Luft so weit wie irgend möglich ausgepumpt war. Dann ließ man das Pulver in einem feinen Strahl in den unteren Teil des Gefäßes hinunterfallen und beleuchtete es gleichzeitig von der Seite mit elektrischem, mittels einer Linse konzentrierten Bogenlicht. Der Schmirgel fiel lotrecht nieder, während die Kohlekügelchen vom Strahlungsdruck zur Seite getrieben wurden.

Der Lichtdruck hatte also hier die Schwerkraft überwunden, die allein ein senkrechtes Abfallen der Körnchen hätte bewirken müssen. Diese also vorzüglich bestätigte neue Erkenntnis von der Druckkraft des Lichts dürfte uns noch neue immer erstaunlichere Einblicke in das wundersame Weltgetriebe erschließen, als sie uns bisher schon zuteil geworden sind. 372


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