Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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257. Jupiter offenbart die Lichtgeschwindigkeit

Wenn auf Erden irgendwo ein Licht aufflammt, nehmen wir es, falls keine undurchsichtigen Körper störend dazwischen treten, überall sofort im Augenblick seiner Entstehung wahr, wenn wir auch noch so weit von der Lichtquelle entfernt sind. Denn während z. B. der Schall nur 330 Meter in einer Sekunde zurücklegt, durcheilt das Licht im gleichen Zeitraum eine Strecke von 300 000 Kilometern, das ist das 7½fache des gesamten Erdumfangs. Wir kennen die Größe der Lichtgeschwindigkeit ganz genau. Daß wir aber imstande gewesen sind, sie zu messen, ist gewiß ein Wunder.

Denn für alle irdischen Entfernungen ist sie so gut wie unendlich groß. Bestünde selbst eine Möglichkeit, das Licht eines Scheinwerfers, der dicht hinter uns und abgekehrt von uns aufgestellt ist, dann erst wahrzunehmen, nachdem das Licht um den ganzen Erdumfang herumgelaufen ist, es würde bereits nach weniger als dem Siebentel einer Sekunde in unser Auge dringen. Praktisch aber kommen für die Beobachtung auf Erden nur sehr viel kleinere Entfernungen in Betracht. Denn das Licht breitet sich geradlinig aus, die Oberfläche der Erde aber ist gekrümmt, sodaß jede Lichtquelle in verhältnismäßig wenigen Meilen Entfernung rasch unter dem Horizont versinkt. Eine undurchsichtige Erdkalotte tritt auslöschend dazwischen. Die Aufstellung auf den Gipfeln hoher Berge, selbst hohe Fahrten im Ballon bringen da fast gar keine Verbesserung. Das Licht bleibt immer nur in so geringen Abständen sichtbar, daß eine unmittelbare Messung seiner Geschwindigkeit ausgeschlossen ist.

Da können uns nur die ungeheuren Entfernungen im Kosmos helfen. Himmlische Lichtsignale sind es denn auch gewesen, welche die Feststellung der 364 Lichtgeschwindigkeit gestattet haben. Jupiter, der Riese unter den Planeten, und sein Trabantensystem haben uns diese höchst interessante Offenbarung gemacht.

Jupiter wird von vier Monden umkreist. Jeder von ihnen erleidet bei jedem Umlauf um das Hauptgestirn eine Verfinsterung, indem er in den Schattenkegel eintritt, den Jupiter, von der Sonne einseitig beleuchtet, hinter sich wirft. Der dänische Astronom Olaf Römer hatte nun die Umlaufszeiten der Jupitermonde berechnet und den Eintritt jeder Verfinsterung auf die Sekunde genau vorher bestimmt. Seine Beobachtungen am Fernrohr bewiesen ihm auch die Richtigkeit seiner Rechnungen; die Verfinsterungen traten genau in den vorausgesagten Augenblicken ein. Als er aber nach einem halben Jahr (1676) die Beobachtungen wiederholte, fand er plötzlich, daß seine Rechnungen nicht mehr stimmten. Die Verfinsterungen traten nun um 16 Minuten 36 Sekunden verspätet ein.

Da die himmlische Uhr nicht nachgehen konnte, und die Tabellen die Prüfung auf ihre Richtigkeit bereits bestanden hatten, so mußte Römer nach einer anderen Erklärung des Phänomens suchen. Er fand sie nach langem Nachdenken in der Veränderung, die während des halben Jahrs in der Stellung der Erde zum Jupiter vor sich gegangen war: die Erde war in dieser Zeit bei der Verfolgung ihrer Bahn um die Sonne immer weiter vom Jupiter fortgewandert und war jetzt 300 Millionen Kilometer weiter von ihm entfernt als bei der ersten Beobachtung der Mondverfinsterungen. Die vom Jupitersystem ausgehenden Lichtstrahlen, die uns doch die Kunde von den Verfinsterungen der Monde überbringen, hatten jetzt also eine 300 Millionen Kilometer längere Strecke zu durcheilen, wozu sie mehr Zeit brauchten. Da dieser Mehrbedarf an Zeit für die angegebene Strecke 16 Minuten 36 Sekunden betrug, so ergab sich daraus die Geschwindigkeit des Lichts mit 300 000 Kilometern in der Sekunde.

Die gleiche Zahl ist seitdem durch andere astronomische Beobachtungen gefunden worden, so z. B. durch die sogenannte Aberration der Fixsterne, und sie ist auch durch ein Experiment im Laboratorium, den Fizeauschen Versuch, bestätigt worden.


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