Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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89. Der Hexenwahn

Quelle: Dr. Hutten: »Das schwarze Schuldbuch«. Verlag für Volksaufklärung von Alfred Metzner, Berlin, 1910.

Eine der furchtbarsten Geißeln der Menschheit ist der Hexenaberglaube gewesen.

Nach glaubwürdigen Angaben sind im Mittelalter ungefähr 100 000 Frauen und Mädchen als Hexen verbrannt worden. In Spanien allein wurden nach Llorrente 34 650 Ketzer und Hexen lebendig verbrannt. Denkt man sich die von der spanischen Inquisition verbrauchten Feuerstöße aufeinander getürmt, so erhält man eine Holzsäule, welche die Höhe des Chimborasso wenigstens zehn Mal übertrifft.

In der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts erst fanden die letzten Hexenhinrichtungen in Deutschland statt. Der siebzigjährigen Nonne Renate Singer aus Würzburg wurde 1749 nachgewiesen, daß sie schon als zwölfjähriges Mädchen einen Ehrensitz neben dem Thron des Satans eingenommen hätte. Sie wurde enthauptet und verbrannt. Als letztes Opfer des Hexenwahns in Deutschland folgte 1756 ein vierzehnjähriges Mädchen, das in Landshut in Bayern wegen einer »Wette mit dem Teufel« geköpft wurde.

In der Schweiz wurde noch 1782 die Dienstmagd Anna Göldi als Hexe hingerichtet. In Spanien schloß dieses furchtbare Kapitel erst 1788 ab.

Carpzov, kursächsischer Geheimrat und Professor der Rechte in Leipzig, der allein 20 000 Todesurteile gefällt hat, bespricht in seinem in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts erschienenen Werk die zulässigen und empfehlenswerten Folterwerkzeuge, von denen er erwähnt: Daumschraube, spanische Stiefel, die 118 Elevation und Expansion, die Wippe, den gespickten Hasen. Er empfiehlt die Folterart, durch die keine tödlichen Verletzungen, sondern nur die unerträglichsten Schmerzen hervorgebracht werden, z. B.: die Fußzehen des Delinquenten werden mit einem Seil zusammengeschnürt; der Angeklagte liegt zwischen fest verbundenen Brettern, das Fußseil wird über eine Winde gezogen, was einen furchtbaren Schmerz hervorruft; während der Seilprozedur gießt man dem Angeklagten so lange kaltes Wasser in den Mund, bis der Leib hoch aufschwillt; man träufelt brennendes Pech auf den nackten Körper; man treibt hölzerne Splitter unter die Fingernägel; man setzt allerhand Stechinsekten auf den bloßen Leib; man salzt die Fußsohlen und läßt Ziegen daran lecken; man filtriert ungelöschten Kalk in die Nasenlöcher; man hält brennende Kerzen unter die Achseln. Wo diese Martern nicht ausreichen, treten, nach Carpzov, der dänische Mantel, die englische Jungfrau, die braunschweigischen Stiefel, die spanische Kappe in Tätigkeit und zwar in fünf Graden der Tortur. Die Eisenplatten in den »Stiefeln« können bis zur Zermalmung der Knochen zusammengezogen werden; bei einem erhöhten Torturgrad wird von außen auf die Stiefel gehämmert und siedendes Pech in den Eisenschaft gegossen.

All diese Scheußlichkeiten fallen bei Carpzov unter den Begriff der »scharfen Fragen«, während er unter Ausübung der »Gnade« in der Regel die Hinrichtung mit dem Schwert versteht.


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