Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

214. Das Optophon

Quellen: Maximilian Pleßner: »Ein Blick auf die großen Erfindungen des 20. Jahrhunderts«. Verlag Dümmler, Berlin, 1892. – Alexander Moszkowski: »Die Kunst in tausend Jahren«. Verlegt bei Alfred Kröner, Berlin, 1910. Z.

Goethes Ruf »Welch Getöse bringt das Licht!« birgt eine Prophezeiung. Sie öffnet die seit Urzeiten erträumte Möglichkeit, zwischen Schall und Licht eine Brücke zu schlagen, das heißt Bilder in Klänge und Klänge in Bilder direkt zu verwandeln. Der vermittelnde Apparat ist wiederum die Selen-Zelle, die je nach den verschiedenen Graden der Belichtung verschiedene Leitungswiderstände für den elektrischen Strom bedingt. „Kann aber der Lichtstrahl gezwungen werden – und dieser Zwang liegt vor – Induktionsströme zu erzeugen oder zu verändern, so müßte ein in die Leitung eingeschaltetes Telephon nun auch in seiner Weise die Wirkung aufnehmen. Das Hörtelephon verwandelt aber solche induzierten Erscheinungen in Klänge. Was also in der Empfangsstation als Bild eintritt, würde im Zwischenapparat als Ton erscheinen, und wenn am Ursprung bewegte Bilder, sichtbare Vorgänge, aufgenommen werden, so müßten sich diese als eine Folge von Tönen kundgeben und umgekehrt. Die Reihe optischer Erscheinungen verwandelt sich in eine Symphonie, die Symphonie in ein lebendes Panorama, immer vorausgesetzt erstens: daß der Apparat vollkommen funktioniert, zweitens: daß Auge und Ohr sich diesen Erlebnissen der Zukunft anzupassen vermögen.

Der Zufall hat es gefügt, daß der Erfinder des tonfeindlichen Antiphons, 299 Pleßner, als erster in einer Schrift »Die Zukunft des elektrischen Fernsehers« diese Fragen anschlug und umschrieb. Er ersah das Wunder der Zukunft schon in den elementaren Figuren, deren urewiges Schweigen durch die Telelektroskopie gebrochen werden soll. Die Gestalt eines Vierecks muß bei akustischer Verwandlung ein anderes Tonbild hervorrufen, als das von einem Dreieck oder Kreis gewonnene, ein Würfel muß anders klingen als ein Kegel oder Prisma. Kristalle und Sterne werden zu reden und zu singen beginnen, in welcher Sprache, mit welchem Tongefäll? Das liegt noch gänzlich im Feld der Ahnung, aber aus dem Nichtwissen wird dereinst das Verstehen aufsteigen.

Richten wir den Empfangsapparat gegen das Firmament! Da tauschen Blitz und Donner ihre Rollen. Der Blitz wird optophonisch hörbar, der Donner löst sich in Lichterscheinungen auf. Die Gewitterwolken in ihrer Bewegung, der Regenbogen, das zuckende Nordlicht, der in Phasen dahinsegelnde Mond, der Wandel der Gestirne werden Klangbilder auslösen. Entspricht das Optophon der Erwartung, so muß es die Kraft besitzen, jeder irdischen Erscheinung ihr Äquivalent an Tönen abzufangen, jede Person, jeden Vorgang in Klängen abzubilden, von jedem Ereignis ein symphonisches Gegenstück zu entwerfen. Wenn uns Meeresstille und glückliche Fahrt, die Hebriden, die Flüsterstimmen der Sommernacht, die Alpen in Klangformen erscheinen, so geschieht dies – vorläufig – auf dem Umweg über Arbeiten Mendelssohns und Richard Strauß', denen die Natur die Anregung, aber nicht die musikalischen Motive lieferte. Erst durch das Wunder des Optophons wird uns die Natur verkünden, wie sie selbst so etwas komponiert.”


 << zurück weiter >>