Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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110. Die Nähe des Geliebten

Quelle: Dr. Alfred Lehmann: »Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart«, deutsche autorisierte Übersetzung von Dr. med. Petersen I, Düsseldorf, zweite Auflage. Verlag von Ferdinand Enke, Stuttgart, 1908. Z.

Zwischen zwei Personen, die sehr eng miteinander verbunden sind, kann eine geistige Verbindung eintreten, die dem Verhältnis zwischen dem Hypnotiseur und der hypnotisierten Person nicht unähnlich ist. Der Eine »ahnt« den Andern, er »fühlt«, daß er anwesend sei. In Wirklichkeit jedoch ist es nur eine Schärfung der Sinne, die den schwächsten, von der andern Person ausgehenden Laut wahrnehmen läßt. Ein ferner Fußtritt oder ein für keinen Andern hörbarer Laut der Stimme genügen, um die Anwesenheit des Andern wahrnehmbar zu machen. Eine solche innige Verbindung bestand zwischen Helena v. Racowitza und Ferdinand Lassalle, und sie führte zu eigenartigen Phänomenen.

In ihrem Buch »Meine Beziehungen zu Ferdinand Lassalle« hat Helena von Racowitza mehrere Schilderungen solcher Ahnungen gegeben. Als typisches Beispiel sei das folgende erzählt.

„Als ich bald darauf an Holthoffs Arm den Ballsaal betrat, flüsterte mir mein Begleiter zu: »So Kind, jetzt wollen wir sehen, ob er schon da ist.« Ohne zu denken, was ich sagte, erwiderte ich ruhig: »Nein, er ist noch nicht da, ich fühle es.« So eigentümlich das klingen mag, so wunderlich es Holthoff erschien – es war doch so. Ich hatte eben noch nicht jenes früher beschriebene Gefühl, wie michs überkam, wenn Lassalle im selben Raum mit mir weilte.

Aber Holthoff wußte von diesen meinen Empfindungen bis dahin noch nichts, und so antwortete er denn mit einem fast ärgerlichen, jedenfalls spöttischen Lächeln: »Um Gottes Willen, Kind, fangen Sie mir keine nervös-mystischen Geschichten an; wenn Sie sich auf somnambule Ahnungen verlegen wollen, bringe ich Sie sofort wieder nach Haus!«

Aber da zuckte ich zusammen – das unnennbare Gefühl war da, und willenlos sagte ich halblaut und zusammenschaudernd: »Jetzt kommt er!« Holthoff sah sich um, und beinahe verdrießlich, daß ich recht hatte, und erstaunt über meinen Zustand sagte er: »Wahrhaftig, Sie haben recht – jetzt kommt er!” 147


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