Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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30. Riesen und Zwerge

Quelle: Saltarino: »Abnormitäten«. Verlag Eduard Lintz, Düsseldorf, 1900.

Wenn es wahr ist, was der französische Gelehrte Henrion im Jahre 1718 schrieb, so gibt es heute nur noch ein stark verkümmertes Geschlecht auf Erden. Während unsere Urväter Türmen gleich über die Scholle stampften, hüpfen wir heute nur noch als Pygmäen darüber hin. Henrion hat nämlich behauptet, daß Adam 41 Meter 60 Zentimeter, die zartere Eva immerhin noch 40 Meter hoch gewesen sei. Nach der Vertreibung aus dem Paradies scheint das Wachstum dann schon stark gelitten zu haben, denn Abraham soll nach dem französischen Autor nur noch 6 Meter 60 Zentimeter, Moses 4 Meter 70 Zentimeter gemessen haben.

In Wirklichkeit hat es natürlich Menschen von auch nur annähernd so hohem Wuchs niemals gegeben. Im modernen Europa aber gehören schon Leute, die 175 bis 200 Zentimeter lang sind, zu den Hochwuchstypen. Alle, die ihre Haarwurzeln höher als 210 Zentimeter über dem Boden tragen, muß 47 man als Riesen bezeichnen. Eine Körperlänge von mehr als 250 Zentimetern gehört zu den größten Seltenheiten.

Bekannte Riesen aus früheren Zeiten waren der Portier des Königs Jacob I. von England, Walter Passous, der 234 Zentimeter hoch war, und Maximilian Müller, ein stattlicher Heer von 256 Zentimetern, der im 55. Lebensjahr noch wuchs. Sie werden aber Beide von dem berühmten Patrick O'Brin (Patrick Colter) übertroffen, der mit 38 Jahren 268 Zentimeter groß war. Er soll sich öfter das Vergnügen gemacht haben, seine Pfeife an der Straßenlaterne anzuzünden.

An seinen Tod knüpft sich noch eine besondere Anekdote. Ein Anatom, Professor William Hunter, hatte den unwiderstehlichen Drang, den fabelhaften Körper des Riesen zu sezieren. Dieser wollte das aber durchaus verhindern, da er vollständig und unzerschnitten ins Himmelreich einzugehen wünschte. Und so vermachte er zwei Fischern 200 Pfund Sterling dafür, daß sie sich verpflichteten, seinen Körper sofort nach dem Ableben ins Meer zu werfen. Die ehrlichen Leute taten das auch, banden aber einen Strick um den Leichnam, und an diesem zog der schneidewütige Professor ihn sofort wieder ans Land, als die Fischer sich entfernt hatten.

Der größte von allen diesen »hohen Herren« ist wohl der Österreicher Franz Winkelmeier, der 273 Zentimeter erreichte, aber überaus mager war und am 4. September 1887 im Alter von vierundzwanzig Jahren in London an der Schwindsucht starb.

Die größte Dame, die je auf Erden gelebt hat, war Maria Wedde, die 1866 zu Benkendorf bei Halle a. d. Saale geboren wurde und 1885 in Paris starb. Sie trug ihren Scheitel 2,65 Meter hoch.

Sehr vielversprechend war der 1880 im Schweidnitzer Kreis geborene Riesenknabe Carl Ullrich. Als er 15 Jahre alt war, maß er bereits 2½ Meter. Von da ab wuchs er jedoch nicht weiter. Seit jener Zeit zeigten sich auch bei ihm Krankheitssymptome, und er starb mit siebzehn Jahren an der Zuckerkrankheit. Seine einzelnen Glieder waren so ungeheuerlich groß, daß durch den Ring, den er auf dem Mittelfinger der rechten Hand trug und der ihm gerade paßte, bequem ein Taler hindurchgezogen werden konnte.

Unter den besonders kleinen Menschen hat es viele Berühmtheiten gegeben. An manchen Höfen wurden früher Zwerge zur Belustigung gehalten. Besonders beliebt waren sie in der Renaissancezeit. 34 mißgestaltete Zwerge warteten bei einem Banket des Erzbischofs Vitalli im Jahre 1556 auf. Peter der Große liebte die kleinen Menschen sehr, und noch lebhafter hatte seine Schwester, die Großfürstin Natalie, sie ins Herz geschlossen. In Moskau hatte man den 48 Zwergen eine vollständige Hofhaltung eingerichtet und lockte sie aus allen Teilen der Erde herbei, um sie in die prächtigsten Gewänder zu kleiden und in goldenen Equipagen herumzufahren. Jede Zwergen-Hochzeit wurde in Moskau auf das glänzendste gefeiert.

Jeffrey Hudson, der 18 Zoll groß war, wurde vom König Karl von England zum Baron erhoben. Er war so tapfer und ritterlich wie nur irgend Einer. Als ihn ein normal gewachsener Mann, namens Crofts, beleidigte, erschoß er ihn im Duell.

Nicht so glücklich wie Sir Hudson war der Zwerg John Worrenburgh. Als er schon berühmt war, wollte er, wie Saltarino erzählt, von Rotterdam nach England heimkehren. Er logierte in einer Schachtel, ebenso wie Gulliver bei den Riesen, und die Schachtel war der Obhut eines Wärters anvertraut. Dieser aber glitt aus, als er im Begriff war, aufs Schiff zu steigen, und fiel samt der Schachtel ins Wasser. Es gelang zwar, den Wärter zu retten, aber der Zwerg kam in seiner Schachtel elend ums Leben.

Wenn die Zwerge auch im allgemeinen kein hohes Alter zu erreichen pflegen, so gibt es doch auch unter ihnen Methusalems. Ein solcher war der polnische Graf Joseph Borowlaszki, ein äußerst kleiner Herr, der aber erst mit 98 Jahren das Zeitliche segnete. Die Zwergin Elisabeth Walson, die nur wenig über 70 Zentimeter maß, wurde über 150 Jahre alt.


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