Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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212. Das festgehaltene Telephongespräch

Obgleich der Fernsprecher im Verkehr ganz hervorragende Dienste leistet, haftet dem Telephongespräch doch eine Schwäche an, die seinen Wert oft stark mindert: es kann mit der bis heute üblichen Apparatur nicht festgehalten, nicht aufbewahrt werden. Wie der Hauch des Munds verweht, so verfliegt das am Telephon gesprochene Wort, Mitteilungen, die auf diesem Weg gemacht werden, haben keinen dokumentarischen Wert.

Wie angenehm wäre es, wenn das Telephon das Gespräch, das man führt, aufbewahrte, oder wenn es dieses gar selbsttätig aufschreiben würde, falls man nicht zu Haus ist. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dadurch die ganze Einrichtung weit nützlicher werden würde. Und auch vor diesem Problem ist die Technik nicht ratlos stehen geblieben. Der dänische Ingenieur Poulsen hat uns mit dem von ihm erfundenen Telephonographen oder Telegraphon ein Werkzeug zur Festhaltung von Telephongesprächen zur Verfügung gestellt.

Es ist, als schalte man einen Phonographen in die Leitung ein. Aber es handelt sich hier nicht um ein solches Instrument mit Walzen aus Wachs, in das von einer beweglichen Nadel die Luftschwingungen eingegraben werden, sondern Poulsens Apparat ist ein ganz neuartiger, ein elektrischer Phonograph. Auf einem Messingzylinder ist ein dünner Stahldraht spiralig aufgewickelt. Über ihm ist ein Elektromagnet so angebracht, daß er immer ein bestimmtes Stückchen des Spiraldrahts in kurzem Abstand umfaßt. Die Messingwalze kann so gedreht werden, daß allmählich der ganze Draht vom Anfang bis zum Ende unter dem Elektromagneten hindurchgeht. Dieser wird von dem ständigen Strom einer Batterie durchflossen und dadurch magnetisiert. Man schaltet aber auch den Telephonstromkreis hinein, und nun ändert sich die Magnetisierung in dem Elektromagneten entsprechend den im Telephon durch das Sprechen gegen die Membran auftretenden elektrischen Schwingungen. Die Veränderungen in der Kraft des Magneten übertragen sich auf den Stahldraht, und so werden auf diesem die Telephonschwankungen gewissermaßen in Form von magnetischen Hügeln und Tälern aufgezeichnet, geradeso wie die Nadel verschieden tiefe Rillen in die Wachswalze gräbt.

Läßt man dann später den magnetisierten Draht unter einem andern Elektromagneten hindurchlaufen, in dessen Stromkreis ein Telephon geschaltet ist, so wird dessen Membran genau in dieselben Schwingungen versetzt, wie es bei dem Ursprungsapparat durch den Mund des Sprechers geschah, und man hört das einstmals geführte Telephongespräch von neuem und kann es so oft abhören, wie man will. Dabei erlebt man noch die angenehme Überraschung, daß dieser 297 elektrische Phonograph ohne jedes Nebengeräusch spricht, ja, daß er das aufgenommene Gespräch deutlicher wiedergibt, als es durch den Telephonhörer direkt zu vernehmen war.

Der Poulsensche Apparat ist vorläufig noch nicht in allgemeiner Anwendung, weil die Ausdehnung des Magnetisierdrahts auch für kurze Gespräche schon ziemlich groß sein muß. Doch dieser Schwierigkeit wird sicherlich bald einmal durch eine andere Ausführungsform abgeholfen werden, und dann wird diese geniale Erfindung ihren Siegeszug über die Erde antreten.


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