Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

31. Abnormitäten

Quelle: Saltarino: »Abnormitäten«. Verlag Eduard Lintz, Düsseldorf, 1900.

In einem kleinen Dorf in dem amerikanischen Staat Wisconsin wurde im Jahre 1890 ein Zwillingspärchen geboren, das eigentlich ein einziges zweiköpfiges Baby darstellte. Die Unterleiber waren so zusammengewachsen, daß die Längsachsen der beiden Körper eine durchlaufende gerade Linie bildeten. Jedes der Kinder hatte aber zwei Beine. Die geistigen Funktionen waren getrennt; ein Kind konnte schlafen, während das andere wachte. Eins starb denn auch fünf Stunden früher als das andere, und das geschah glücklicherweise schon, als das Gebilde erst acht Monate alt war.

Ein Berliner, »Hermann mit der Wunderhand«, besitzt an der rechten Seite keinen Arm, sondern nur eine Hand, die unmittelbar an die Schulter angewachsen ist. Er kann die Hand, die vollständig ausgebildet ist, gut bewegen und zum Halten und Tragen von Gegenständen benutzen.

Eine Parallelerscheinung hierzu war Eli Bown, der keine Beine hatte, 49 sondern nur Füße besaß, die dicht am Hüftgelenk ansetzten. Er vermochte sich mit ihnen ausgezeichnet fortzubewegen, bestieg allein die Straßenbahn, konnte sogar mit dem linken Fuß schreiben und sich als Akrobat produzieren. Er war glücklich verheiratet und Vater von vier ganz normalen Kindern.

James Morris, der 1859 in Boston, also auch in Amerika, der Heimat so vieler Abnormitäten, geboren wurde, besaß eine richtige Gummihaut. Er vermochte die Haut, mit der seine Brust überspannt war, bis zum Haupthaar hinaufzuziehen, die Haut der Backen konnte acht Zoll weit abgezogen werden, und mit der Haut des einen Beins konnte er das andere umwickeln.

Der Schmied James Wilson besaß eine so gewaltige Ausdehnungskraft der Brust, daß er damit herumgespannte Lederriemen zerreißen, ja sogar eiserne Ketten sprengen konnte. Im Jahre 1889 gewann er den Weltmeisterschaftsgürtel in seinem etwas eigentümlichen Fach.

Die schwarze Riesendame Lucie Morris hatte das ansehnliche Gewicht von 605 Pfund. Der schottische Riese William Campbell war, als er das 45. Lebensjahr erreicht hatte, bereits 685 Pfund schwer. Obgleich er vollständig gesund war, mußte er sich doch für die Fortbewegung zweier Krücken bedienen, da das Knochensystem die gewaltige Fettlast nicht zu tragen vermochte.

Einen überaus seltsamen Zustand hatte der Körper des Russen Iwan Orloff. Durch eine seltsame Art von Atrophie war der Oberkörper vollkommen verknöchert, und zwar so, daß z. B. an Stelle der Armgelenke vollkommen starre Knochenverbindungen getreten waren. Das Gegenteil dieser Mißbildung zeigte sich an den Beinen, die infolge einer weitgehenden Erweichung der Knochen durchsichtig waren, so daß es möglich gewesen sein soll, durch einen der Unterschenkel eine Uhr abzulesen. Der Unglückliche verbrachte sein ganzes Leben vom vierzehnten Jahr an im Rollstuhl, bildete aber lange Zeit eine der größten Sehenswürdigkeiten.

Eine überaus seltsame Ausbildung der Beine zeigte auch der Körper der Miß Violet, eines Mädchens, das unter diesem Namen viel in Varietés aufgetreten ist. Sie vermochte sich nur auf allen Vieren fortzubewegen, da das Kniegelenk bei ihr die umgekehrte Lage hatte, wie es gewöhnlich der Fall ist, so daß die Kniescheibe hinten an den Beinen saß. Daher war es ihr nicht möglich, die Beine geradezurichten.

Eine Französin, namens Brison, besaß Hände und Füße, deren Formen sehr stark an Krebsklauen erinnerten; die Gliedmaßen waren fast bis zu den Gelenken gespalten und von Fingern und Zehen fast nichts entwickelt. Trotzdem konnte sie Handarbeiten anfertigen und ihren Haushalt besorgen. Diese Möglichkeiten waren für sie sehr wichtig, denn sie besaß einen Mann und Kinder. 50


 << zurück weiter >>