Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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117. Die Tricks der Eusapia Palladino

Quelle: Dr. Albert Moll in der »Deutschen Medizinischen Wochenschrift«, 1903. Z.

Flammarion hat die im vorigen Abschnitt geschilderten Vorgänge gläubig und als spiritistische Tatsachen hingenommen. Ganz anders denkt darüber der schon öfter zitierte Psychiater Albert Moll, der über Eusapia Palladino folgendermaßen urteilt.

„Das Programm dieser Frau ist sehr eintönig. Die Teilnehmer sitzen um einen Tisch herum, die Palladino unmittelbar vor einer Portiere, die ihr vielfach als Deckung dient. Jede Sitzung zerfällt in zwei Teile. Der erste findet bei hellem Licht statt; es erfolgen nun allerlei Bewegungen des Tischs, anscheinend ohne Zutun der Frau Palladino und der anderen Teilnehmer. Dann beginnt der zweite Teil; er findet bei ganz schwacher Beleuchtung statt. Dabei wird je eine Hand der Eusapia von der entsprechenden Hand des Nachbars berührt; desgleichen der linke Fuß Eusapias von dem rechten Fuß des linken Nachbars und der rechte Fuß Eusapias von dem linken Fuß des rechten Nachbars. Entweder setzt der Nachbar den entsprechenden Fuß auf den der Palladino, oder diese setzt ihren entsprechenden Fuß auf den des Nachbars, oder es findet auch ein Aneinanderstellen statt. Gleichzeitig werden gelegentlich die Hände der Nachbarn 160 auf das entsprechende Knie der Palladino gelegt. Durch solche Maßregeln soll festgestellt werden, daß die Hände und Beine der Palladino die Dinge, die sich nachher im Dunkeln begeben, nicht künstlich machen können.

Was sich nun begibt, ist im wesentlichen folgendes. Die Portiere, die sich hinter der Eusapia befindet, bewegt sich nach vorn und bauscht sich anscheinend nach vorn aus. Ein Saiteninstrument, z. B. eine Gitarre, die hinter ihr liegt, gibt allerlei Töne, auch ganze Akkorde an, sie wird nach vorn gehoben und geworfen. Ein kleiner Tisch, der links vor ihr steht, wird gehoben und geht nach vorn; eine auf ihm stehende Flasche mit Wasser geht in die Höhe, und in ein daneben stehendes Glas wird Wasser aus der Flasche gegossen. Die Anwesenden werden bald hier, bald dort berührt, gezwickt, an den Haaren gezogen, gekitzelt usw.

Die »Gläubigen« behaupten, daß diese Erscheinungen unmöglich mechanisch von der Palladino hervorgerufen werden könnten, da die Hände und Füße ja kontrolliert würden. Während nun die Spiritisten im engeren Sinn meinen, daß dieser Hexensabbat von den »Geistern« der Verstorbenen herbeigeführt werde, nehmen andere, die man bald zu den Spiritisten im weiteren Sinn rechnet, bald als »Psychisten« bezeichnet, an, daß dem Medium eine besondere, bisher unbekannte Kraft innewohne, ohne mechanische Hilfsmittel Gegenstände bewegen zu können.

Nur einige Worte über die Art, wie die Eusapia »arbeitet«. Ihr Hauptkniff ist folgender. Wir sahen, daß ihre Hände und Füße angeblich von den Nachbarn kontrolliert wurden. In Wirklichkeit geschieht dies aber nur im Anfang. Sie benutzt den Kunstgriff, dessen Anwendung ich im Jahre 1892 in meiner Erwiderung gegen Lombroso als wahrscheinlich annahm, heute aber als gewiß hinstelle. Das anscheinende Festhalten der Hände der Eusapia durch die beiden Nachbarn wird nämlich bald illusorisch gemacht. Nachdem sie die rechte Hand des linken Nachbars der linken Hand des rechten Nachbars, unter geschickter Ablenkung der Aufmerksamkeit, genähert, berührt sie mit ihrer linken Hand teilweise die rechte Hand des linken Nachbars, teilweise die linke Hand des rechten Nachbars, während sie gleichzeitig möglichst schnell ihre rechte Hand von der linken Hand des rechten Nachbars fortzieht, ohne daß dies die Nachbarn bemerken. Sie hat auf diese Weise ihre rechte Hand frei gemacht. Ja sie kann noch weiter gehen; sie legt schließlich die rechte Hand des linken Nachbars auf die linke Hand des rechten Nachbars und hat dann beide Hände frei. Dasselbe macht sie mit den Füßen, wobei sie etwas verschiedene Methoden anwendet.

Die Hauptsache ist stets, bei geschickter Ablenkung der Aufmerksamkeit eine oder beide Hände, einen oder beide Füße zu befreien. Dies ist der Haupttrick der Palladino. Da es fast dunkel ist, und sie außerdem die hinter ihr befindliche Portiere nach vorn nimmt und über Arme und Hände legt, ist natürlich der Schwindel nicht leicht zu sehen. Wenn man aber gut aufpaßt, so merkt man ganz genau den Moment, wenn sie Hand oder Fuß befreit. In einem Fall konnte Dessoir feststellen, daß seine Hand die Hand des andern Teilnehmers berührte, während sie angeblich die Hand der Palladino berühren sollte. Ich habe in einem Fall, als sie mich fragte, ob ich ihre Hand noch fühlte, geantwortet, daß ich jetzt zwei Hände fühlte. Sie hatte nämlich meine Hand – ich saß zu ihrer Linken – an die Hand des mir gegenübersitzenden Herrn gebracht, hatte aber ihre eigene Hand nicht schnell genug zurückgezogen, und so konnte ich ganz deutlich zwei Hände fühlen.

In dieser Weise ist sie, wenn sie Hand und Fuß freigemacht hat, imstande, allerlei Handlungen mechanisch auszuführen. Mit dem linken Fuß und der linken Hand schiebt sie die Portiere nach vorn, bewegt den linksstehenden Tisch, bringt die links seitlich hinter ihr liegende Gitarre zum Erklingen, indem sie mit dem Fuß über die Saiten streicht. Sie hebt mit der linken Hand die Wasserflasche, gießt das Wasser ein usw. Sie berührt ferner mit dem linken Fuß den linken Nachbar. Man kann bei genauem Zusehen auch deutlich erkennen, wie sie die entsprechenden Mitbewegungen macht, z. B. mit dem Körper sich nach rechts biegt, wenn sie zu irgend einer Bewegung das linke Bein in der Hüfte heben muß.

Nachdem sie die rechte Hand freigemacht, bewirkt sie auch das Erscheinen der »Geisterhand«, die der Botaniker Professor Penzig in Genua erblickt hat, und die auch in meiner Sitzung über dem Kopf der Palladino zu sehen war. Sie hebt einfach ihre rechte Hand ganz frech über ihren Kopf in die Höhe, und dies wird als Geisterhand angesehen. Ich habe trotz der neun Zehntel Dunkel deutlich die Bewegungen gesehen, als sie den rechten Arm hochhob.”

Dr. Moll schließt seine Abhandlung mit folgenden Worten:

„Obwohl ich mich seit etwa siebzehn Jahren mit dem Spiritismus beschäftigt habe und dabei immer mehr zu der Überzeugung gekommen bin, daß es sich bei den Vorführungen der Medien im wesentlichen um absichtliche Betrügereien handelt, war ich doch etwas stutzig geworden, als man mir von den Wundern erzählte, die sich bei der Palladino begäben, und man mir die großen Gelehrten nannte, die zu den gläubigen Anhängern dieser Frau gehören. Als ich aber meine Sitzung mit ihr unter verhältnismäßig günstigen Bedingungen hielt, da blieb für mich als Wunder nur eines übrig, nämlich der Umstand, daß große Gelehrte solch frechen, durchsichtigen Schwindel auf eine unbekannte Kraft zurückführen.” 162


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