Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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8. Schiefe Türme

Weltberühmt ist von ihnen nur einer, nämlich der schiefe Turm zu Pisa, weshalb viele annehmen, daß er der einzige seiner Art sei. Das ist aber durchaus nicht der Fall. In Italien gibt es eine ganze Reihe solcher Bauwerke, deren Achse von der Senkrechten abweicht. Zumeist handelt es sich um unbeabsichtigte Senkungen, die infolge etwas leichtsinniger Bauweise auf nicht genügend festem Grund eingetreten sind. Aber es hat auch eigenwillige Baumeister gegeben, die zur Herbeiführung einer besonderen Wirkung ihre Türme absichtlich schräg stellten.

Mit Sicherheit beglaubigt ist die Absichtlichkeit der Schiefstellung bei den beiden Türmen zu Bologna, die nach ihren Errichtern Torre Asinelli und Torre Garisenda heißen. Den Gedankengang, der die Baumeister in jener baulustigen Zeit, Anfang des zwölften Jahrhunderts, zu so eigentümlicher Gestaltung führte, erklärt Goethe in folgender Weise: »Jeder wollte auch mit einem 11 Turm prangen, und als zuletzt die geraden Türme gar zu alltäglich wurden, so baute man einen schiefen, auch haben Architekt und Besitzer ihren Zweck erreicht, man sieht an den vielen schlanken, geraden Türmen hin und sucht den krummen.«

Der Pisaner aber wäre imstande, auch ohne solche gewagte Absichtlichkeit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn er ist ein außerordentlich schönes Bauwerk. In acht Stockwerken, die von köstlich bewegten Arkaden umgeben sind, steigt der zylindrische Bau bis zu einer Höhe von 54,5 Metern empor. Er senkte sich, als man bei der Errichtung bis zum dritten Stockwerk gekommen war, und in der Folge wurde dann die schräge Richtung beibehalten. Droben hängen sieben musikalisch abgestimmte Glocken.

Die Abweichung von der Geraden beträgt beim schiefen Turm zu Pisa am äußersten Punkt 4,3 Meter. Trotzdem steht der Bau vollkommen fest, da sich sein Schwerpunkt noch senkrecht über der Grundfläche befindet. Immerhin wird die Besteigung niemals mehr als drei Personen zu gleicher Zeit gestattet. Bekanntlich hat Galilei die Neigung des Turms dazu benutzt, um durch Fallenlassen von Kugeln mit gleichem Durchmesser aber verschiedener Schwere aus dieser beträchtlichen Höhe die Fallgesetze zu studieren.


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