Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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234. Geysir-Ausbrüche

Seltsame Erscheinungen, die von der Tätigkeit geheimnisvoller unterirdischer Gewalten Kunde geben, sind die heißen Quellen oder Geysire, die an manchen Stellen der Erde emporsprudeln. Der mächtigste unter den Geysiren, der Excelsior im Yellowstone-Park in Nordamerika, wirft seine heißen Wassersäulen 80 Meter hoch empor und fördert bei einer einzigen Explosion 160 Kubikmeter Wasser.

Die meisten der heißen Springquellen arbeiten nämlich nicht ständig und gleichmäßig, sondern sie sind eigentümlichen Paroxysmen unterworfen. Zwischen die einzelnen Ausbrüche sind kürzere oder längere Pausen geschaltet. Dadurch, daß die Geysire Kieselsäure aus dem Erdinnern herausbefördern, die als feste Substanz um die Ausflußröhre herumsintert und diese allmählich verlängert, werden auch die Ausbruchspausen allmählich länger. Der Große Geysir auf Island pflegte im Jahre 1772 noch alle halbe Stunde auszubrechen. 1805 sah man ihn nur noch alle sechs Stunden sprudeln, 1860 nur noch alle vier bis fünf Tage, und heute währt die Zeit zwischen zwei Explosionen bereits 20 Tage.

329 Die Regelmäßigkeit, mit der bei manchen Geysiren die Explosionen wiederkehren, ist ganz erstaunlich. Besonders genau arbeitet der »Old Faithful« im Yellowstone-Park, der genau alle 65 Minuten einen kochenden Wasserstrahl 10 Minuten lang bis zur Höhe von 50 Metern emporschickt.

„Ich habe mich, so berichtet Dr. Wilhelm Meyer, während fünf Eruptionen dieses natürlichen Springbrunnens, die ich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen beobachtete, davon überzeugt, daß die Uhr, nach der die Ingenieure und Maschinenführer der Unterwelt arbeiten, genauer geht, als manche dieser zarten Werkzeuge unserer scharfsinnigsten Intelligenz, nach denen wir unser Tun und Lassen regulieren, wenngleich auch diese Geysiruhr unter verschiedenen Einflüssen gelegentlich auch etwas vor- und nachgehen kann, wie eben auch unsere Uhren. So wirkt auf beide der Barometerstand ein.”

Einem Buch desselben Gelehrten sei die folgende Schilderung eines Ausbruchs des Fountain-Geysir im Yellowstone-Park entnommen:

„Ein kristallklarer, absolut ruhiger See liegt vor uns, das von Kieselsinter eingerahmte, etwa zehn Meter im Durchmesser besitzende Becken des Geysir. Im Lauf der halben Stunde, während der ich auf den Beginn des Schauspiels wartete, sah ich ganz langsam den Spiegel des blauen Seeauges steigen. Dann perlten an einer gewissen Stelle des Randes einige Luftblasen auf, die sich mehrten, bis hier eine kleine Einbuchtung des Randes in beständigem Kochen war. Nun begann es auch an anderen Randpartien zu brodeln, und schließlich wallte es auch gelegentlich aus der Mitte auf. Nun glich der Pfuhl bald einem Riesenkessel voll siedenden Wassers. Pulsierend wurde das Sieden heftiger und wieder schwächer, und ab und zu spritzte es so hoch auf, daß wir zeitweilig vom Rand einige Schritte zurücktreten mußten.

Da plötzlich ein Donnern in der Tiefe unter unseren Füßen, das näher kam, und nun entfaltete sich das Wunder. Der ganze See flog und zerstob mit einem Mal zischend und brausend in die Luft! Eine Wassersäule, so breit wie das Mittelschiff des Stefansdoms und auch so hoch wie dieser und sich abdachend gleich ihm, erfüllte die Luft rings mit Millionen und aber Millionen strahlender Diamanten, in welche die zerstiebenden Tropfen sich verwandelt zu haben schienen, eine weißleuchtende, ungeheure Garbe aus siedendem Wasser und wirbelndem Dampf, die sich mit unbeschreiblicher Pracht von dem blauen Himmel abhob. Und dieses Schauspiel hielt mit ungeschwächter Kraft mindestens eine Viertelstunde lang an! Nach allen Seiten hin schleuderte der Schlund mächtige Wasserstrahlen empor, dem diamantenen Riesenbukett immer andere Formen gebend!

Und fast noch mehr staunen mußten wir, als noch plötzlicher als sie 330 begonnen hatte, die Tätigkeit wieder aufhörte. Ich habe keinen anderen Vergleich, als den, daß man wähnen muß, ein Ventil würde schnell zugedreht; so nahm im Lauf von kaum einer halben Minute die bis dahin ungeschwächte Kraft des Ausbruchs bis zur völligen Ruhe ab.

Unmittelbar darauf konnten wir wieder hart an den Rand des Schlunds treten, aus dem vor wenigen Sekunden noch ein siedender Wasserberg turmhoch emporschoß! Nun liegt der blaue Pfuhl wieder so ruhig, so friedlich da, und wir sehen, sinnverwirrt von dem wundervollen Rätsel, wieder in die mysteriöse Tiefe hinab.”


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