Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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60. Die Fallgruben des Ameisenlöwen

Quelle: Dr. Franz Doflein: »Das Tier als Glied des Naturganzen«, zweiter Band des Werks: »Tierbau und Tierleben in ihrem Zusammenhang betrachtet«, von Dr. Richard Hesse und Dr. Franz Doflein. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1914.

Zu den raffiniertesten Schutzwaffen, die im modernen Krieg gebraucht werden, gehören die Fallgruben. Es sind dies tiefe kreisrunde Trichter, die man vor den Stellungen in der Erde aushebt und am untersten Ende mit einem aufragenden spitzen Pfahl versieht. Gerät ein Angreifer an den Rand eines solchen Trichters, so gleitet er unfehlbar an der glatten Wand nach unten und spießt sich auf dem Pfahl auf.

Genau die gleiche Einrichtung schafft sich eine Käferlarve, die man Ameisenlöwe nennt. Er tut es aber nicht um seine Feinde zu vernichten, sondern um sich lebendige Nahrung einzusaugen. Der ganze Körper des Ameisenlöwen ist mit ziemlich steifen Borsten bedeckt. Durch zuckende Bewegungen schafft er mit ihrer Hilfe Sand aus dem Boden, bis er eine trichterförmige Grube fertiggestellt hat. An deren spitzem unteren Ende wühlt er sich dann selbst ganz in den Sand, aber so, daß an der Stelle des Trichters, wo die Soldaten bei ihren Bauten den spitzen Pfahl hinstellen, seine mächtig entwickelten, am Innenrand mit Zacken versehenen und säbelartig gekrümmten weit aufgesperrten Kiefern hervorstehen.

Der Ameisenlöwe stellt seine Grube an Stellen her, wo kleine Insekten, vor allem Ameisen, vorbeizulaufen pflegen. Wenn eins dieser Tiere an den Rand der Grube gerät, so rutscht es die steile Wand hinunter und fällt in die drunten aufgesperrten Kiefern des lauernden Jägers, die sich sofort über dem Opfer schließen. Am allerseltsamsten äußert sich die Intelligenz eines auf so niederer Stufe stehenden Tiers, wie es der Ameisenlöwe ist, falls es einmal vorkommt, daß das herabfallende Tier nicht in den Bereich der Kiefern gerät. Sobald das Opfer dann wieder anfängt, an der Wand des Trichters emporzukriechen, schleudert der Ameisenlöwe einzelne Sandkörner gegen die Wand. Häufig trifft der Schuß die kletternde Ameise selbst, sonst aber die Wand über ihr, so daß kleine Stückchen sich loslösen, und das geängstigte Tier wieder in die Tiefe der Grube hinunterfällt, wo es nun mit Sicherheit in den Bezirk der Freßorgane gerät und endgültig gefangen wird.


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