Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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131. Das Rätsel von Fermat

»Die Mathematik ist die Wissenschaft von dem, was sich von selbst versteht.« Ein lapidarer Satz von anscheinend ganz allgemeiner Gültigkeit. Aber auch er hat seine Ausnahmen, und wo sich solch eine Lücke auftut, da ist Platz für Scharen gelehrter Menschen, die sich allesamt vergeblich ihre scharfsinnigen Köpfe zerbrechen.

Das interessanteste Beispiel hierfür ist das sogenannte »Fermat-Problem« oder der große »Fermatsche Satz«. Im Grund die einfachste Sache von der Welt, die als Fragestellung von jedem Mittelschüler begriffen werden müßte. Aber daneben seit einem Vierteljahrtausend die Plage der mathematischen Welt.

Um diese Geißel endlich loszuwerden, hat die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen im Jahre 1908 einen Preis ausgeschrieben. Bare hunderttausend Mark werden demjenigen auf den Tisch gezahlt, der das Fermat-Problem löst. Seitdem ist fast ein Jahrzehnt verstrichen, hunderte neuer »Lösungen« sind eingelaufen, darunter prächtige Scharfsinns-Proben, aber irgendwo lauerte überall der Dämon der Falschheit, und der Preis konnte noch nicht verdient 192 werden. Im Ganzen hat die Instanz von Göttingen 99 Jahre Frist gelassen, und so mag es bis zum Jahre 2007 noch furchtbar viel Schädelzerbrechen geben.

Es handelt sich um einen in wenigen Worten aussprechbaren Lehrsatz, den der große Gelehrte Pierre Fermat einstmals fand und aufschrieb, ohne einen Beweis hinzuzufügen. Er begnügte sich mit einer kurzen Notiz des Inhalts, daß er einen »wunderbaren Beweis« besitze, den er aber wegen Papiermangels nicht mitteilen könnte. Ein Blatt Papier mehr im siebzehnten Jahrhundert, und die ganze Quälerei wäre der denkenden Menschheit erspart worden.

Jedermann weiß, was eine Quadratwurzel bedeutet: eine Zahl mit sich selbst multipliziert oder zur zweiten Potenz erhoben, also 2²=4, 3²=9 und so weiter. Summiert man zwei solche Quadratzahlen, so kann sich unter Umständen wiederum eine Quadratzahl ergeben, z. B. 9+16=25, oder 3²+4²=5²; ebenso 5²+12²=13². Man nennt diejenigen Zahlen, die sich dieser Bedingung fügen, pythagoräische Zahlen. Sie sind in beliebiger Menge vorhanden und rechtfertigen somit die Behauptung: die Gleichung x²+y²=z² gestattet unendlich viele ganzzahlige Erfüllungen.

Aber was bei der zweiten Potenz ein Kinderspiel ist, wird für die dritte Potenz eine Unmöglichkeit. Zwei Kubikzahlen addiert ergeben niemals wieder eine Kubikzahl. Und Fermat behauptet ganz allgemein: sobald der Exponent (der Potenzzeiger) größer ist als 2 gibt es in der ganzen Unendlichkeit der Grundzahlen keine einzige Gruppe von dreien, die uns den Gefallen tut, jene Gleichung zu befriedigen.

Aber warum ist das unmöglich? Worauf beruht die Verstocktheit der Zahlen einer so simpeln Forderung gegenüber? Das eben ist das Fermat-Rätsel, für dessen Lösung in Göttingen hunderttausend Mark bereit liegen.

Und wenn nun ein genialer Kopf erschiene, der uns beweist: Fermat hat sich geirrt; der uns drei Zahlen irgendwo in Trillionenhöhe brächte, die trotz Fermat das Kunststück leisten? Das wäre gewiß ein Wunder. Aber vielleicht kein größeres als das bereits vorliegende: daß alle Mathematiker der Welt für einen als richtig geglaubten Satz von allereinfachster Form bis heute noch keinen durchgreifenden Beweis ermittelt haben.


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