Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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173.

Leeds, den 15. Februar 1882.

Was Ihr über den Unfall in Sheffield sagt, hätte ich voraussehen können, und schweigen sollen. In dem äußerlich gefahrlosen Leben, an das Ihr gewöhnt seid, machen derartige Vorkommnisse einen Eindruck, wie sie ihn auf unsereinen nicht machen dürfen, wenn wir fortfahren wollen, unserm Beruf nachzugehen. Er liegt dem der Soldaten näher, als man gewöhnlich glaubt. Es ist keineswegs selten, daß mich eine gewisse Neugier packt, ob ich aus dieser oder jener Lage mit heiler Haut wieder herauskomme. Mehr als einmal habe ich morgens meine Papiere in Ordnung gebracht, weil bei einem bevorstehenden Versuch alles passieren kann und es nicht am Platz ist, die Arbeiter allein ihre Knochen dransetzen zu lassen. Wenn man darauf wartet, geschieht allerdings nie etwas. Gegen unerwartete Unfälle dagegen hilft kein Aufpassen, und von dergleichen sind wir natürlich auf Schritt und Tritt umgeben. Ob Gott den oder jenen besonders bewahrt, während er einem dritten weniger Aufmerksamkeit zu schenken scheint, das sind Fragen, über die sich nicht streiten läßt; denn sie sind eine Sache des Gefühls. Es scheint mir fast, daß die Tage, an denen Schwungräder nicht brechen, ebensoviel Dank verdienen als die, an denen sie brechen. Ich habe mich nie in dieser Welt voll unübersehbaren Elends mit dem Gedanken einer besonderen Fürsorge für diesen oder jenen befreunden können. Meine Stunde wird kommen, wenn es Zeit ist, wie die jedes Menschen. Alle Schwungräder der Welt stehen in Gottes Hand. Mehr sollten wir nicht verlangen, um mehr nicht bitten.

Bei meiner Rückkehr nach Leeds fand sich, daß der junge Greig Nr. 3 die paar Arbeiter, die meinen Regulator ausführen sollten, zu einer andern Arbeit verwendet hatte: der dritte Fall ähnlicher Art. Ich habe mich ernstlich zu fragen, soll und will ich den offenen Kampf gegen die junge Brut aufnehmen? Ich stand mit dem alten Greig und seinem ganzen Haus jahrezehntelang auf so freundlichem Fuß, daß mir der Gedanke peinlich ist. Ich verdanke ihm viel; er mir allerdings auch, denn ich habe ihm aus hundert theoretischen und technischen Nöten geholfen, und er hat den Löwenanteil auch meiner Arbeit selbstverständlich eingesteckt. Trotzdem nähme ich einen Bruch, der wohl unvermeidlich wäre, schwer.

Anderseits – wäre es nicht an der Zeit, daß ich versuchte To paddle my own canoe, wie es in einem netten englischen Lied heißt, mein eignes Boot zu rudern? Der Gedanke lockt mich gewaltig, selbst ohne daß ich weiß, wohin mich das Paddeln führen mag.


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