Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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160.

Leeds, den 27. März 1881.

Soeben erst bin ich mit einer Arbeit für »Engineering« fertig geworden, die wohl in der nächsten Nummer dieser Zeitschrift erscheinen, wird; denn man ist mit derartigen Dingen in England etwas rascher als in Deutschland. Die Sache hat mich scheinbar mehr Zeit gekostet als in Wirklichkeit. Aber wenn man des Tags nur ein paar Abendstunden zu vergeuden hat, so zieht sich alles unvernünftig in die Länge. Es scheint, daß auf dem Eriekanal, wo jetzt nahezu zweihundert Kilometer Seil liegen, eine Gegenbewegung eintritt. Ihre Anhänger veröffentlichten kürzlich einen höchst einseitigen Bericht über die Ergebnisse der Seilschiffahrt auf amerikanischen Kanälen. Es ist dies erklärlich, wenn man bedenkt, daß auf dem betreffenden Kanal 2460 Pferde und Maultiere um ihr tägliches Brot kommen, wenn das Seil triumphiert. Ein Auszug dieses Berichts, welchen »Engineering« brachte, mußte in irgendwelcher Weise beantwortet werden.

Letzte Woche erschienen in derselben Zeitschrift, der ersten des Landes, auch die Ergebnisse, die unsre Verbundmaschinen in Ägypten erzielten; und was noch besser ist, bei uns selbst zwei größere Bestellungen vom Nil, die unmittelbaren und hoffentlich nicht die einzigen Früchte meines letzten Ausflugs.

Auch schreibt mir – da wir gerade daran sind, mich zu loben – Mr. E. Tylor einen schmeichelhaften Brief über den »vorzüglichen Bericht bezüglich meiner wichtigen Entdeckungen in Sakkara«. Dieselben sollen bei der nächsten Gelegenheit der Englischen Anthropologischen Gesellschaft vorgelegt werden, die sie ohne Zweifel mit hohem Interesse (denkt Mr. Tylor) entgegennehmen werde. Der ältesten Pyramide der Welt auf den bloßen Wunsch eines verehrten Freundes eine weitere Stufe beigefügt zu haben, verdient alle Anerkennung.

Von dem jungen Heinrich Fowler, der vor ein paar Monaten nach der Südsee abging und mich dadurch um eine Weltumseglung brachte, erhielten wir vor einiger Zeit die ersten Nachrichten. Er sitzt auf einer kleinen Insel im Stillen Ozean und kann zunächst nicht weiter, weil die Blattern ausgebrochen sind, die unter den Eingeborenen von Zeit zu Zeit fürchterliche Verwüstungen anrichten. Die Insel ist deshalb abgesperrt, die gewöhnlichen Postschiffe dürfen sich nur schüchtern nähern und zwar Briefe, aber keine Reisenden mitnehmen. Eine hübsche Lage, um die ich meinen jungen Freund nicht zu beneiden brauche.

Im allgemeinen scheinen die Geschäfte wieder einer nicht unbedenklichen Ruhe zuzutreiben. So finde ich Zeit, gegenwärtig zum zweitenmal das Werk meines Freundes Piazzi Smyth zu studieren, das eben die vierte Auflage erlebt und sich in fünfzehn Jahren sehr verdickt hat. Der Titel: »Unser Erbe in der großen Pyramide« ist geheimnisvoll genug. Smyth sieht in dem alten Riesenbau jetzt nicht nur ein inspiriertes steinernes Lehrbuch der Mathematik und Astronomie, sondern auch der ganzen Weltgeschichte bis an ihr Ende. Und das ist alles mit einem wissenschaftlichen Ernst und einem Glaubenseifer geschrieben, daß lebhaftere Naturen als ich verrückt werden könnten. Ein nettes Geschichtchen, das ich noch in Kairo miterlebte: Damals wohnte ein englischer Arzt mit einem jungen Lord, der an einer milden Geisteskrankheit litt, ein paar Monate lang in Shepheards Hotel. Auf der Herreise mußte der Doktor auf seinen sanften Narren Achtung geben. In Kairo studierte der erstere Smyths Pyramidenbuch, und auf der Heimreise mußte der Narr den Arzt hüten. So berichten wenigstens die geeichten Ägyptologen, die der Astronom und Prophet Smyth allerdings auch nicht mit weichen Fingern anfaßt.


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