Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

77.

Leeds, den 23. April 1874.

Eine gewonnene Schlacht ist nicht das Ende des Kriegs; der hört wohl niemals auf, solange wir leben.

Der Bridgewaterkanal ist enger und seichter als irgendeiner, auf dem die Seilschiffahrt bis jetzt versucht wurde. Darin liegen die erhöhten Schwierigkeiten. In allzu scharfen Krümmungen wurde das Seil so sehr aus seiner richtigen Lage gezogen, daß es in diesen Krümmungen zu gespannt, in den geraden Strecken des Kanals zu lose wurde. Dort verlor der Tauer die nötige Steuerkraft, hier bildete das Seil Schleifen und Knoten, die den Betrieb unmöglich machten. Nach einigen mehr oder weniger mißlungenen Versuchen verfiel ich auf eine Vorrichtung, die das lose Seil, anstatt es sofort ins Wasser zurückfallen zu lassen, auf dem Schiffe selbst ausgespannt hält, es mitführt und erst dann wieder ablaufen läßt, wenn die Spannung des versenkten Seils zu groß wird.

Dieser Gedanke wurde ins Werk gesetzt, aber mit langen Unterbrechungen, woran in erster Linie die Wiener Ausstellung schuld war. Das Boot war durch die vielfachen Abänderungen ein unförmliches Ding geworden, aber schließlich doch bereit, seine Künste zu zeigen. Der Erfolg übertraf alle vernünftigen Erwartungen. Wir nahmen unsre Schleppkähne, soviel wir deren bekommen konnten, und führten den Zug mit einer Geschwindigkeit von vier Meilen ohne den geringsten Anstand von Ende zu Ende des Seils. Das Boot folgte willig allen Zickzackkrümmungen, und die oben erwähnte Vorrichtung spielte, daß es eine Freude war. Die Tatsache war erwiesen, daß wir nunmehr auch auf kleineren, seichten Flüssen in den schwierigsten Kurven schleppen konnten. Man beglückwünschte mich zu dem glänzenden Erfolg. Nichtbeteiligte sahen bereits den ganzen Kanalverkehr am Seil hängen. Wir hatten dies, wie die Sachen jetzt standen, sogar schwarz auf weiß. Nun aber stellte sich heraus, daß der lange Verzug den Verwaltungsrat der Kanalgesellschaft zu Manchester in den Glauben versetzt hatte, wir hätten die Sache in aller Stille aufgegeben; und daß dieser, ebenfalls in aller Stille, vier Schraubendampfer bestellt hatte, die nahezu fertig waren. Wir waren überflüssig geworden.

– Eine bittere Pille! –

Aber die Welt geht nicht unter, wenn auch manchmal ein Sturm die Bäumlein ausreißt, die wir am liebevollsten pflegen. Derartige Arbeiten mit ihren Enttäuschungen sind nicht das tägliche Brot des Handwerks mit seinem goldenen Boden. Dafür sind sie voll von Interesse für die Gegenwart, voll von Hoffnungen für die Zukunft. Sie sind zunächst nur das Ausstreuen von neuem Samen. Oft genug wird schlecht gesät; manchmal taugt der Same nichts und manchmal ist der Boden zu steinig, zu kalt, zu naß. Doch ist auch schon mancher Same aufgegangen, wo man ihn nicht hingestreut, wo ihn ein glücklicher Wind hingetragen hat. Und keine Arbeit ist ganz verloren.


 << zurück weiter >>