Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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67.

Wien, den 7. Juni 1873.

Die Sachen scheinen sich schlimmer gestalten zu wollen als gewöhnlich. Mit Geschäften steht's niederträchtig schlecht. Daneben Kutscherstreik, Finanzkrach, Cholera. Das mißlichste ist der Krach. Die Österreicher haben all ihr Geld verloren, oder finden vielmehr, daß sie nie Geld hatten – eine unangenehme Überraschung!

Aber fertig wird die Ausstellung nachgerade doch. Die Packkisten verschwinden, das Hämmern und Nageln ertönt nur noch in halb vergessenen Seitengalerien, die kein Mensch betritt. Der neueste, wagerechte Turm Babylons steht, groß, prächtig, sprachen- und geisterverwirrend. Je mehr ich mich in die Sache hineinlebe, um so weniger begreife ich sie. Wozu diese Massenzusammenstellung mit ihrer, trotz Gold und Seide und köstlicher Leinwand plebejischen Pracht? Man weiß sich nicht zu retten. Der menschliche Geist zerfährt und zersplittert im Gedränge der Eindrücke eines Orbis pictus. Und bis man die Kunst gelernt hat, die Augen gegen neun Zehntel zu schließen, das sich uns in allen Regenbogenfarben aufdrängt, fühlt man sich wie ein jämmerlicher kranker Tropf in diesem Unding von Dingen.

Damit will ich nicht sagen, daß das Ganze dennoch nicht ist, was es sein will: die Welt des Menschen und seines Schaffens in niedlichem, reich gebundenem Taschenformat. Was aber die Natur mild und weise auseinanderhält, indem sie Wiesen und Wälder, Tage und Jahre dazwischenlegt, haben wir hier zusammengeschleppt, um in dumpfem Staunen zu vergehen. Es ist uns leidlich gelungen; wir sollten uns deshalb freuen und nicht wundern.


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