Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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159.

London, den 28. Februar 1881.

Auf dem Weg nach Scharabas überraschte mich ein Brief aus England mit der Aufforderung, nicht nach Rumänien, sondern so schnell als möglich nach London zu gehen. Heute früh kam ich an, in fünf Tagen und einundzwanzig Stunden von Alexandrien; eine gute Geschwindigkeit; und ohne Abenteuer; wie ein Sack Baumwolle.

Heute nacht gehe ich zu Bett; dies ist das wichtigste Ereignis, das ich mitteilen kann. Morgen früh läßt mir Mr. Fowler wahrscheinlich Zeit, weiterzuschreiben, ehe ich mich nach Leeds auf den Weg mache. –

Fortsetzung:

Daß es mir in Zifta schließlich sehr gut ging, wißt Ihr. Nach einigem Doktorn brachte ich die dortige Maschine so weit, daß sie leistete, was wir bis jetzt in England nie erreicht haben. Der Besitzer war darüber so vergnügt als sein Heizer, welcher ein wohlverdientes Backschisch mit unnötiger Verstohlenheit in meinen Hosen, den Resten eures verbrannten Reiseanzugs, barg. Redshaws Schwiegervater, ein alter Lokomotivführer, meinte, ich solle machen, daß ich fortkomme; denn wenn ich noch eine Woche länger bleibe, brauche nach meinen Berechnungen die Maschine gar keine Kohlen mehr. Und so wanderte ich, mit Hinterlassung von sechs leeren Champagnerflaschen, die ich von Kairo – aber voll – mitgebracht und die wir fröhlich »ausgesupfit« hatten, über den Nil, nach Tanta und von dort nach Damiette, eine Tagereise durch das grünende Delta. Es ist merkwürdig und überall sichtlich, wie schon die letzten vier Jahre einer einigermaßen geordneten und vernünftigen Regierung den Wohlstand dieses unzerstörbaren Landes wieder aufkeimen ließen.

In aller Frühe am folgenden Morgen zog ich den Fluß hinauf, nach dem alten Floh- und Moskitonest Scharabas, meine Maschine vom vorigen Jahr zu besuchen. Ich machte den kleinen Abstecher einem dummen Geschwätz zulieb. Nubar-Pascha, der selber nie in Scharabas gewesen war, hatte kürzlich Mr. Fowler in Paris erzählt, daß ihn unsre Maschine unchristlich viel Kohlen koste. Dasselbe unangenehme Gewäsch hörte ich da und dort in Ägypten, und obgleich ich mir die Quelle dieser Verleumdungen erklären konnte, wollte ich doch der Sache an Ort und Stelle auf den Grund kommen. Es ist nämlich ein Franzose in Kairo, der Nubars technische Gedanken leitet und alles Englische haßt wie Gift. Schon vor zwölf Monaten mußte ich bei jeder Besprechung mit dem Pascha hören, daß ihm »cet excellent Monsieur Pierre« eine belgische Maschine angeschafft habe, die zweimal so wenig Kohlen verbrenne, als was ich verspreche. Tatsache ist, daß dieses Wunderwerk nie aufgestellt wurde und heute noch auf einen Käufer wartet. So blieb meinen französisch-patriotischen Freunden nichts übrig, als die Maschine in Scharabas nach Kräften anzuschwärzen, was sie denn auch tun. Neben dem unsern steht ein französisches Pumpwerk, das trotz seines Alters »das englische Machwerk aufs tiefste beschäme«, und so weiter. – Meine Absicht war nun, den Mechaniker zu Scharabas und seine Maschine auf ein paar Stunden zu besuchen und dann Herrn Pierre meine Reiseeindrücke in einem mehr als höflichen Schreiben mitzuteilen. Denn wir stehen auf dem Fuße feinster Umgangsformen, wie Duellanten.

Mit Vergnügen begrüßte ich am fernen Gesichtskreis den schlanken Schornstein, an dem seinerzeit der beste Minarettbauer von Damiette erlegen war, und der jetzt gemütlich in den blauen Himmel hineinrauchte. Maschine und Pumpen waren in vollem Gang, von ein paar schläfrigen Fellachin bedient. Das benachbarte Pumpwerk der Franzosen war zusammengebrochen, und mein Freund Saunier, der Mechaniker, leider in Mansura, zehn Stunden flußaufwärts. Ich mußte mich deshalb mit meinen eignen Beobachtungen und seiner Frau begnügen, die, als echte Französin, mir jede gewünschte Auskunft geben konnte, und segelte nach einer Stunde mit vollem Wind wieder den Fluß hinunter, einen gesalzenen Brief an Monsieur Pierre im Kopf.

Nun hatte ich schon seit acht Tagen ein Telegramm von England in der Tasche, unverzüglich nach Kamelakbar zu gehen und die Abmessungen gewisser Maschinen, die ich dort finden werde, nach Leeds zu telegraphieren. Das ist eine andre lange Geschichte, die ich erst in Leeds ganz verstehen werde. Kaufmännische Spitzbubereien sind nicht lustig, wenn man sie nicht selbst begeht, und dann kaum, und die daraus erwachsenden Verwicklungen nicht des Erzählens wert. Bis zurzeit war ich nicht imstand gewesen, der geheimnisvollen Weisung Folge zu leisten, denn Kamelakbar liegt am andern Ende des Deltas. Es ist der Mittelpunkt der landwirtschaftlichen Wirksamkeit einer jungen französischen Gesellschaft, der Société agricole du Delta du Nil. Jetzt aber eilte ich nach Alexandrien, wo ich unsre Agenten in großer Freude über die Erfolge in Zifta fand, welche sie bereits in klassisches Arabisch übersetzt hatten und gedruckt über das ganze Land verbreiteten.

Doch auf diese Weise komme ich nicht aus Ägypten hinaus. Da wäre, zwei Tage später, von einem originellen Pascha zu erzählen, der ein Schaf auf dem Gipfel eines Schornsteins schlachten ließ. Dann käme die Überfahrt und der Frühling in Italien und in der Provence an die Reihe; dann das übliche Sudelwetter in England, und, soweit ich schon hier bemerke, allerhand Verstimmungen mit und in Leeds, die mich nichts angehen. Damit endlich wäre wieder eins meiner ägyptischen Kapitel geschlossen.


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