Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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89.

Leeds, den 4. April 1875.

Es will Frühling werden! Die Italiener in Ferrara bestellten ihren ersten Dampfpflug. Dies ist mir lieb. Im Delta des Pos wäre gar viel zu machen, wenn die Leute mehr Geld und Energie hätten. Dabei rechne ich ein wenig auf Garibaldi, dessen römische Pläne neuerdings eifrig besprochen werden. Bei der Entwässerung der Campagna handelt es sich um die Kultur von Tausenden von Hektaren verwilderten Bodens. Wir stehen der Sache nahe genug. Der Herzog von Sutherland, einer unsrer besten Kunden und Freunde, unterstützt und berät Garibaldi persönlich und wendet sich an Fowler, wenn er selbst nicht mehr weiter weiß.

Auch in Rußland scheint sich die Frühjahrsarbeit zu regen. Ein neuer strohbrennender Dampfpflug, nach Plänen, die mein letztjähriger Feldzug gereift hat, geht diese Woche nach der Ukraine. Sobald wir Nachricht von seiner Ankunft aus Warschau haben, sollte ich mich auf den Weg machen.

Mein Wendepflug geht nächsten Dienstag wieder ins Feld. Ich will deshalb heute nur sagen, daß ich zwei Wetten drauf habe: die erste, daß er sieben Hektar macht ohne zusammenzubrechen; die zweite, daß ich einen halben Hektar pflüge, ohne daß ihn außer mir jemand berührt. Ich glaube natürlich, daß ich gewinne, aber selbst dann ist noch lange nicht alles gewonnen.

Diese Dinge erschweren mir die bevorstehende Abreise. Allein das Getriebe risse nie ab, wenn es nicht abgerissen würde. Mit ihren Aufgaben glatt fertig zu werden ist den wenigsten Menschen vergönnt. Mein Fall ist jedenfalls so schlimm nicht, als wenn man eine halbgelöste Lebensaufgabe, der man alles geopfert hat, für immer verlassen muß. Ein Tod, wie der kürzlich erfolgte Livingstones zum Beispiel, ist grausig in seiner zermalmenden Erhabenheit. Dagegen ist unser kleiner Ärger über kleine Dinge doch nur Kinderei.

Überhaupt und unbeschrien geht zurzeit unser Geschäft gut genug, trotz des Jammers in der übrigen Welt, der auch hier in England nicht klein ist. Aber jedermann sieht hierzuland ein, daß es nicht fortgehen konnte wie vor zwei oder drei Jahren. Alles fing an, aus Rand und Band zu geraten. Das Geld strömte förmlich, und man lebte herrlich und in Freuden. Jetzt hat der Strom aufgehört zu fließen, und jedermann ist tiefbetrübt. Aber man ist im allgemeinen vernünftig genug, sich brummend nach der Decke zu strecken. Was freilich unter einer langen englischen Decke leichter ist als unter einer kurzen »im kälteren Deutschland«.


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