Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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46.

Kirschgarthausen (Baden), den 22. Oktober 1871.

Bis auf weiteres bin ich auf einem stillen Hofe, drei Stunden von aller verwerflichen Zerstreuung entfernt, glücklich eingepfercht.

Als ich in Bruchsal ankam, wußte dort niemand, wo eine »Station Rosengarten« liegt, die mein Ziel sein sollte. Ich fuhr deshalb zunächst nach Mannheim, mit dem Gefühl eines innerafrikanischen Entdeckungsreisenden. Vielleicht bei Worms, sagte man mir dort kopfschüttelnd. Zu Worms ergab sich, daß Rosengarten am entgegengesetzten Rheinufer aus ein paar Häusern besteht und den Brückenkopf – ohne Brücke – der hessischen Ludwigsbahn bildet.

Am andern Morgen zeigte sich, daß zwar die Dampfmaschinen angekommen waren, nicht aber die Pflüge und Kultivatoren. Ich fuhr deshalb nach Kirschgarthausen, dem der Waghäusler Zuckerfabrik gehörigen Gutshof. Ein trüber Tag, eine flache Rheingegend mit dem Odenwald am grauen Horizont, gerade Pappelalleen stundenlang. Der Inspektor des Gutes drückte mir seine Verzweiflung über das Ausbleiben der Pflüge aus, in welche ich mit Gefühl einstimmte. Darauf zurück nach Worms. Telegramm nach Rotterdam. Rückantwort, daß alles Fehlende vor einer Woche abgegangen sei.

Damit konnten wir uns bis auf weiteres beruhigen, oder an der Wand hinauflaufen, ganz nach Belieben. Ich tue das letztere neuerdings seltener. Statt dessen richtete ich mich im »Rheinischen Hof« zu Worms häuslich ein und machte mich an einen Bericht über ägyptische Bewässerung. Zweimal täglich ging ich nach dem Bahnhof, um mir sagen zu lassen, daß noch nichts angekommen. Abends ließ ich mir von »der Wirtin Töchterlein« die Geschichte ihres Liebeskummers mitteilen, wobei ich viel väterliches Mitgefühl an den Tag zu legen wußte. Dabei wuchsen die Bewässerungspläne für Ägypten auf vierzig Folioseiten und wurden zum Heil jenes Landes gesandelt, versiegelt und fortgeschickt. Zur selben Stunde kam der Rest des Dampfpflugs an.

Auch die erforderlichen englischen Arbeiter hatten sich eingefunden. Abladen, Verzollen und Montieren war bald geschehen. Gestern dampften wir ohne weitere Abenteuer ins Feld und zogen die ersten Furchen auf badischem Boden. Damit hätte ich voraussichtlich alles erzählt, was sich in den nächsten vierzehn Tagen zutragen wird.


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