Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

105.

Leeds, den 15. Juli 1877.

Meine stille Zeit geht, scheint es, ihrem Ende entgegen. Die diesjährige Ausstellung der englischen Landwirtschaftsgesellschaft zu Liverpool brachte Greig in Berührung mit einem Peruaner, der ihm das Land in bezug auf künftige Dampfpflügerei in goldenen Farben schilderte. Da der Mann aber vermutlich gar nichts von der Sache versteht, sondern nur den besten Willen zeigt, zu glauben, so soll ich ihn als eine Art Missionar besuchen, mir alles ansehen, und, wo tunlich, nach Kräften reisepredigen.

Vorderhand studiere ich jeden Morgen mit mehr als knabenhaftem Eifer Spanisch und frage mich seiten- und stundenlang: »Haben Sie meinen Hut?« – »Nein, mein Herr, ich habe den Hut Ihres Bruders.« – »Haben Sie eine gute Mutter?« – »Ja, mein Herr, meine Mutter ist gut; aber die graue Katze des Nachbars ist hungrig.« Und so weiter. Es fällt mir etwas sauer; indessen geht's noch »für einen alten Pinsel«. Und die kühle, reine Luft des Chimborasso, die ich wittere, stärkt mich.

Doch ich möchte nicht undankbar sein. England und besonders Yorkshire hat mir in den letzten Monaten manches Bild gezeigt, das anderwärts lieblicher nicht zu finden wäre: einsame Heiden auf Bergeshöhen, träumerische Klosterhallen, zerfallene Burgen und neue Schlösser in zauberhaft schönen Parkanlagen. Etwas vom alten germanischen Geist weht wohl noch immer über »Old England«. In hundert verborgenen Winkeln hängt er wie Nebelstreifen, und tausend nordenglische und schottische Herzen spüren ihn, ohne es zu wissen.


 << zurück weiter >>