Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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69.

Wien, den 12. Juli 1873.

Über Wien brütet eine tödliche Hitze, geistverwirrend, nervenerschlaffend. Letzten Sonntag legte ich mich auf dem Kahlenberg unüberlegterweise ins Gras, sah durch das ungewohnte Laubdickicht ein paar Fleckchen blauen Himmels und hörte einmal wieder die Bäume rauschen. Es war förmlich leichtsinnig. Denn eh' ich aufstand, war's geschehen. Ein Gedanke wie ein Hexenschuß! Ich wollte »Weltausstellungsbriefe eines Hypochonders« schreiben; der ganze Plan lag mir fix und fertig unter der Herzgrube.

Zum Glück sollte ich ein paar Tage später einen Dampfpflugvortrag halten. Auch dieser wollte geschrieben sein, und ich fand es nicht leicht, mich anderthalb Stunden lang über mechanischen Kleinkram zu verbreiten. Derartige Stoffe sind spröde. Man kann darüber schreiben und zur Not lesen; aber es ist schwer, davon zu sprechen, wenn man nicht auf einem amtlichen Lehrstuhl sitzt, wo man ein Recht hat, langweilig zu sein. Zu meinem Erstaunen war trotz der Hitze die Zuhörerschaft groß und gewählt. Die Sache verlief anstandslos, und jedermann schien glücklich, als das Ende erreicht war und wir uns zum wohlverdienten Bier zurückziehen konnten.

Weniger erbaulich waren die Versuche mit Straßenlokomotiven, welche zu Ehren der Richter abgehalten werden sollten. Es waren nur drei Maschinen bereit, sich zu beteiligen, zwei Engländer und ein Belgier. Die Sache war, wie fast alles, was die hiesige Generaldirektion einleitet, ein unbeabsichtigter Humbug. Derartige Versuche, wenn sie irgendwelchen Wert haben sollen, brauchen sorgfältige Vorbereitungen, einen vernünftigen Arbeitsplan, selbst manchmal gewisse Maschinen, ohne welche keine genauen Messungen vorgenommen werden können. Von alldem war nichts vorhanden. Die Richter erschienen und erkundigten sich, was eigentlich zu tun sei. Die Aussteller (wir drei) sagten, wir seien zu allem bereit, was die Herren Richter zu tun befehlen. Darauf stritt sich das Preisgericht mit sich selbst über die Philosophie des Versuchanstellens, während wir freundlich lachend umherstanden und der Entscheidung harrten. Sie führte zu der Bitte, an einem vor uns liegenden Eisenbahndamm hinaufzufahren. Dies geschah. Oben angekommen, bot sich uns ein sandiges Tafelland dar, auf welchem zwei der Herren Richter mit fliegenden Taschentüchern herumjagten, um einen Platz zu bestimmen, der als Endziel des Rennens dienen sollte. Dem armen Belgier brach schließlich ein Hinterrad, während Old England, Hohn und Wut im Herzen, die sinnlose Vorstellung zu Ende spielte.


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