Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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5.

Brüssel, den 7. November 1868.

Ein kleiner Zwischenfall: Beim ersten Probieren einer neuen Schleppmaschine in Lüttich streckte ich mit gewohnter Sachkenntnis und Gewandtheit meinen Zeigefinger zwischen zwei sich bewegende Teile der Maschine, die sonst zwei Zentimeter voneinander entfernt bleiben. Zufällig war von mir selbst eine kleine Abänderung getroffen worden; der frei bleibende Raum war nur noch ein Drittel so groß und mein vorwitziger Finger kam in Gestalt eines schwäbischen Pfannenküchleins aus dieser interessanten Lage hervor. Wunderlich ist das Gefühl während des Vorgangs, namentlich wenn die Quetschung mit jener langsamen Sicherheit vor sich geht, wie es Maschinen im Brauch haben. Ich spürte nämlich im betreffenden Glied gar nichts. Hingegen schien es mir, wie wenn all meine Eingeweide in den Brustkasten stiegen und wieder zurücksänken, während der Druck nachließ. Ein nicht eigentlich schmerzliches, aber keineswegs angenehmes Gefühl! Die Schmerzen kommen nachher um so unzweideutiger. Gefährlich ist die Sache nicht, eines der kleinen Ereignisse im Leben des Ingenieurs. Les roses du metier! wie mein alter Freund Halim-Pascha derartige Denkzettelchen zu nennen pflegte. Die Schlepperei geht vorwärts. Die Lütticher Gesellschaft hat zwei neue Schiffe bestellt; die Genter, deren eigentliches Gebiet Holland und Flandern sein wird, will auf dem Kanal der Terneuse zwischen Gent und der Schelde mit fünf Dampfern anfangen. Ich bin daher fast immer auf der Wanderschaft. Das Boot für den Rhein ist vor etlichen Tagen von Lüttich nach Antwerpen abgegangen, um dort seine Maschinen aufzunehmen. Nächste Woche gehe ich nach Paris, um an unserm ersten Drahtseil in Frankreich einen kleinen Schleppapparat laufen zu lassen.

Nachschrift.

Damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen: Unser größtes Schiff, das für den Rhein bestimmt ist und von den boshaften Belgiern »die Kathedrale« getauft wurde, ist in der Nähe von Antwerpen gesunken. Ein schwerer Schlag; doch Geduld, bis der Sturm vorüber ist! Drunten bleibt es nicht; wenn auch seine Bergung Zeit und Geld genug kosten mag.


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