Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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2.

Brüssel, den 24. Juni 1868.

Das waren ein Paar tolle Wochen. In den Swamps von Luisiana und im Stadtgewühl von Neuyork, im Kohlendunst von England und im Wüstenstaub von Ägypten habe ich noch Zeit gefunden, anständig ein Stückchen Briefpapier zu verderben. Hier scheint alles in Überstürzung aufgehen zu wollen.

Meine belgischen Freunde haben in den letzten Monaten darauf losgearbeitet, daß mir die Haare zu Berge stehen. Es sind vier Schiffe im Bau begriffen, jedes nach einem andern Plan, zumeist nach Skizzen von mir, um deren Ausarbeitung sich niemand gekümmert zu haben scheint. Die Schiffe werden hier gebaut, die Maschinen in England. Die Maschinenbauer und die Schiffbauer lassen den lieben Gott dafür sorgen, daß die Maschine zum Schiff und das Schiff zur Maschine paßt. In diesen Augiasstall einige Ordnung zu bringen, war eine Höllenarbeit, die noch nicht zu Ende ist. Dazu sind in allen Enden und Ecken Konzessionsfragen zu erörtern, Patentrechte zu verteidigen, neue Angriffspunkte aufzusuchen und zu besetzen. Es könnte einem fischblütigeren Menschen als mir heiß dabei werden.

Natürlich will man mich hier nicht fortlassen. Drüben – wir sprechen von Amerika, wie wenn es unser Zimmernachbar wäre – wartet man ungeduldig auf mein Wiedererscheinen. Ich bin selbst begierig, wie dies weitergehen soll.

Die Ausstellung der englischen Landwirtschaftsgesellschaft zu Leicester, wo ein großes Preispflügen stattfand, führte mich trotz der Seilschifferei auf vierzehn Tage nach England zurück. Es war auch dort harte Arbeit, aber es waren köstliche Tage: ein wahrer Titanenkampf keuchender, zischender, brausender Ungetüme, in dem wir alle, jeder nach seiner Art, nicht weniger keuchten, zischten und klapperten. Die Hitze war fürchterlich, so daß fast jedermann krank wurde, und der glänzende Sieg, den wir errangen – zehn von dreizehn ausgesetzten Preisen und überdies ein prachtvolles Trinkgeschirr, welches unser alter Freund, der Vizekönig von Ägypten, für den besten Dampfpflug gestiftet hatte –, die Sieger wie die Besiegten zu Boden warf. Während alldem schrieb de Mesnil in Brüssel entrüstete Briefe: Warum ich nicht komme? Warum die Maschinen nicht kommen? Warum nicht alles fünfmal so schnell gehe, als menschenmöglich ist? Worauf ich einen Tag lang zu Hause blieb, um mich unwohl zu stellen, es aber in der Tat auch war. Dann saß ich eine Woche lang Tag für Tag in der Fabrik von morgens sieben bis abends acht Uhr. Die Drahtseilschleppmaschinen fingen an, Gestalt zu gewinnen, und ich erholte mich sichtlich dabei. Seit acht Tagen bin ich wieder in Belgien, um in ähnlicher Weise an den Schiffen herumzudoktern. Dabei wird nachgerade die Aussicht doch etwas weniger verworren, und das Gefühl, daß aus alldem etwas werden könnte, wächst.


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