Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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33.

Minsterley in Wales, den 21. Dezember 1870.

Herzlichen Dank für das Telegramm, aus dem die englischen Telegraphisten freilich ein solches Chaos von Buchstaben gemacht haben, daß es kaum zu entziffern war. So viel scheint sicher, daß Eduard am Leben und in Paris ist. Ich habe deshalb meinen Plan, ihn aufzusuchen, bis auf weiteres vertagt. Jetzt ist Geduld unsre wahre Tapferkeit.

Seit etlichen Tagen bin ich von der Welt abgeschnitten. Minsterley ist ein kleines Nest zwischen Shropshire und Wales, der Endpunkt einer Zweigeisenbahn, inmitten zahlreicher Blei- und Zinkbergwerke, welche ihre Kohlen von hier aus mit Gespannen holen müssen. Die Gegend ist bergig, die Wege sind schlecht. Wir haben nun zwei Straßenlokomotiven hier, welche diesen Kohlentransport teilweise besorgen, die eine mit Kautschukringen über den Radkränzen, deren Wert und Wirkung meine Versuche feststellen sollen. Alles arbeitet zurzeit eifrig an der Weiterentwicklung des Straßenlokomotivwesens. Dabei tun mir trotz des schlechten Wetters die Berge und die frische Luft gut, nach dem ewigen Denken und Pläneschmieden in Leeds.

Seit fünf Tagen marschiere ich täglich gegen zwanzig Meilen (englischer Währung) hinter meinen Maschinen her. Heute ist mir's gelungen, die eine zusammenzubrechen, wozu ich eigentlich hier bin. Mit der zweiten hole ich morgen die Trümmer der ersten aus dem Gebirge, und dann fängt der Tanz von neuem an. Unter solchen Umständen schwindet Briefwechsel und Weihnachtsstimmung.

Gottlob, daß Euch die schwerste Sorge des Augenblicks wenigstens leichter gemacht ist. Eduard lebt: »der Fink hat wieder Samen! Dem Herrn sei Lob und Preis!«


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