Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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59.

Wien, den 9. November 1872.

Vorgestern war ich bei strömendem Regen in Gutenhof, wo wahrscheinlich während der kommenden Weltausstellung unsre Dampfpflüge arbeiten sollen. Es ist das zweite Gut, das ich besuche, um über dessen Tauglichkeit zu diesem Zweck mein Gutachten abzugeben. Das schlimmste ist: die Ausstellungskommission weiß nicht, was sie will. Die Güter wären gut genug. Aber die einen der Herren wollen die Sache gründlich nehmen; die andern gedenken eine bloße Schaufeierlichkeit zu veranstalten. Zu letzterem wollen wir (das heißt Fowlers und ich) uns nicht verstehen; das erstere behagt im allgemeinen den Wienern nicht.

Auch im Hauptausstellungsgebäude liegt noch alles sehr im Dunkeln. Der österreichischen Oberleitung scheint die Sache über den Kopf gewachsen zu sein. Das Deutsche Reich bekam von ihr schließlich gar keine Briefe mehr. Infolgedessen hat Freund Diefenbach als technischer Reichskommissär sein Bureau hier aufgeschlagen und vertritt unser großes Vaterland in würdiger Weise.

Mein Besuch in Böhmen galt zunächst einer landwirtschaftlichen Berühmtheit erster Größe, Herrn Ritter Horsky von Horskyfeld, dem »Vater der böhmischen Landwirtschaft«, der bei Kollin aus Sumpf und Wüste ein wirklich schönes Gut schuf, an dem er in seinen alten Tagen mit Recht seine Freude hat. Ich dachte nicht ernstlich daran, einen Dampfpflug bei ihm an den Mann zu bringen; doch war der alte Herr Feuer und Flamme, so daß der Kauf sofort zustande gekommen wäre, wenn ich nicht über eine Vertragsbedingung in Leeds hätte anfragen müssen.

Von da ging's nach Prag zu meinem alten Freund und Gönner Bertel, dem Güterdirektor des Kaisers Ferdinand. Einen erfreulicheren Besuch machte ich nie. Die Leistungen des Dampfpflugs, der letzten Herbst bei ihm in Gang gesetzt worden war, hatten alle Erwartungen übertroffen, so daß B. einen zweiten für das kommende Frühjahr bestellte.

Der Ausflug nach Böhmen gab meinem an dem gebrochenen Lagerstuhl zu Lundenburg leidenden Gemüt wieder einige Kraft und Erfrischung, die ich sehr wohl brauchen konnte. Es kommt doch immer auch wieder anders. Das ist das Schöne »hier unter dem wechselnden Mond«.


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