Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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143.

Bukarest, den 17. Juli 1880.

Es ist, als ob ich aus Rumänien nicht mehr hinauskommen sollte. Schon zum zweiten- und drittenmal glaubte ich fertig zu sein, immer wieder tauchte etwas auf, das zu vernachlässigen schade gewesen wäre, weil ich nun doch einmal hier bin, und damit war wieder eine Woche verloren. Man muß sich mit einem guten Vorrat von Philosophie wappnen, um bei einer derartigen Tätigkeit nicht dampfartig aus der Haut zu fahren.

Dazu ist Rumänien und sonderlich Bukarest im Juli kein Paradies. Es kann afrikanisch heiß werden, und die schwüle, feuchte Luft, eine Folge der nicht seltenen Regenschauer, macht die Hitze fast unerträglich. An Fiebern fehlt es deshalb auch keineswegs. Ich selbst habe mir infolge einer der Erkältungen, die sich in der Hundehitze kein Mensch erklären kann, mit welchen man aber dennoch alles erklärt, ein entzündetes Auge zugelegt, das mir die Welt nicht rosiger erscheinen läßt.

Der Maiskultivator hat in der Hauptsache getan, was er gesollt. Alle wesentlichen Knotenpunkte, auf die mir's angst war, lösten sich in befriedigender Weise. Dagegen sind kleine Konstruktionsabänderungen nötig, um ihn für das kommende Jahr ganz kampftüchtig zu machen. Der unverständigen Laienwelt gegenüber sind derartige Kleinigkeiten oft widerwärtig; mir selbst machen sie keine Sorgen. Sie sind die unvermeidliche Zugabe beim Bau neuer landwirtschaftlicher Geräte. Negroponte hatte ich zum voraus in die höheren Geheimnisse unsers Schaffens eingeweiht, deren höchstes darin besteht, daß wir nicht wissen, was wir tun, ehe wir's getan haben. Er war deshalb zufrieden, denkt aber, im nächsten Jahr sollte die Sache ohne weitere Störung in Gang kommen. Und das denke ich auch.

In Bukarest hatte der englische Konsul eine Anzahl Grundbesitzer aufgetrieben, die sich alle für Dampfpflüge höchlich zu interessieren vorgaben. Aber überall war es dieselbe Geschichte. Die Leute schienen mich als eine Art »Mädchen aus der Fremde« zu betrachten, das nach Rumänien gekommen ist, um englisches Kapital – und namentlich Fowlersches – der wallachischen Landwirtschaft mit vollen Händen zur Verfügung zu stellen. Die einen wollen dampfpflügen, aber Fowler soll ihnen die Maschinen dazu leihen; die andern wollen Dampfpfluggesellschaften bilden, aber Fowler soll ihnen das Kapital dazu geben; wieder andre wollen in der Dobrudscha ein großes landwirtschaftliches Unternehmen auf Aktien begründen, zu dem »zunächst« fünf Dampfpflüge nötig sind. Sie bieten das Land hierzu, das, wie sie zugeben, ohne Pflüge nichts wert ist. Wir sollen die Pflüge hergeben, die ohne Land auch nichts wert seien; woran etwas Wahres ist. Umsonst versichere ich ihnen, daß ich nicht hierher gekommen sei, um ihnen Geld zu bringen, sondern im Gegenteil. Erst schütteln sie ungläubig die Köpfe, und dann verlieren sie alles Interesse an der Dampfkultur. Besonders entmutigend für Rumänien ist, daß diejenigen Leute, die wirklich etwas tun, fast ausnahmslos Ausländer sind: Griechen, Juden, Armenier und so weiter. Die Rumänen beschränken sich meistens auf das Kernersche: »Preisend mit viel schönen Reden ihrer Länder Wert und Zahl.«

Von Bukarest ging ich über Giurgewo die Donau hinauf nach Simnitza, und schlief drei Nächte lang in dem Zimmer, ja in dem Bett, das der Kaiser von Rußland während der Plewnazeit benutzt hatte. Es steht in dem Herrenhaus eines großen Gutes, das dem Fürsten Ypsilanti gehört und von einem seiner Landsleute, einem Herrn Manos, verwaltet wird. Hier soll es mit der Dampfpflügerei nächstes Frühjahr ernst werden. Ein wirklicher Schritt vorwärts dieser Art muß auf Wochen dafür sorgen, daß einem Mut und Geduld nicht ausgehen.


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