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14. Amor und die Torheit

An Amor ist höchst rätselhaft
Doch alles: Köcher, Pfeil, Fackel, der Kindheit Sage;
Die Tiefen dieser Wissenschaft
Erschöpft man nicht in einem Tage.
Sie zu ergründen denk' ich nicht, das wär' ein Spott;
Nur zu erzählen hab' ich hier mir vorgenommen,
Wie dieser Blinde – 's ist ein Gott –
Wie dieser Blinde um sein Augenlicht gekommen;
Des Unglücks Folgen dann – oder ist's gar ein Glück?
Das richt' ein Liebender, ich trete gern zurück.

Die Torheit und Amor spielten einst guter Dinge
Mitsammen; dieser war dazumal blind noch nicht.
Dabei kam es zum Streit; Amor begehrt: »Man bringe
Es vor der Götter Schiedsgericht!«
Der andern schien zu lang die Sache,
Und sie schlug ihm so heftig ins Gesicht,
Daß er verlor der Augen Licht.
Venus verlangte Sühn' und Rache.
Mutter und Weib – man kann sich denken ihr Geschrei!
Bestürzt eilt jeder Gott herbei,
Zeus, Nemesis und auch die drei
Richter der Unterwelt, zuletzt die ganze Bande.
In voller Gräßlichkeit läßt sie den Frevel sehn:
Ihr Sohn könn' ohne Stock nicht einen Schritt mehr gehn;
Zu groß sei keine Straf' und hart für solche Schande,
Und auch der Schade sei schwer wieder gutgemacht!
Nachdem man alles wohl bedacht
Verurteilt das Gericht – natürlich ließ sich's leiten
Nur vom gemeinen Wohl und jenem der Partein –
Die Torheit, nun für ew'ge Zeiten
Gott Amors Führerin zu sein.


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