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18. Der Fuchs und der Storch

Gevatter Fuchs hat einst in Kosten sich gestürzt
Und den Gevatter Storch zum Mittagbrot gebeten.
Nicht allzu üppig war das Mahl und reich gewürzt;
Denn statt der Austern und Lampreten
Gab's klare Brühe nur – viel ging bei ihm nicht drauf.
In flacher Schüssel ward die Brühe aufgetragen;
Indes Langschnabel Storch kein Bißchen in den Magen
Bekam, schleckt Reineke, der Schelm, das Ganze auf.
Doch etwas später lädt der Storch, aus Rache
Für diesen Streich, den Fuchs zum Mahl auf seinem Dache.
»Gern!« spricht Herr Reineke »da ich nach gutem Brauch
Mit Freunden nie Umstände mache.«
Die Stunde kommt; es eilt der list'ge Gauch
Nach seines Gastfreunds hohem Neste,
Lobt seine Höflichkeit aufs beste,
Findet das Mahl auch schon bereit,
Hat Hunger – diesen hat ein Fuchs zu jeder Zeit –
Und schnüffelnd atmet er des Bratens Wohlgerüche,
Des leckern, die so süß ihm duften aus der Küche.
Man trägt ihn auf, doch – welche Pein!
In Krügen eingepreßt, langhalsigen und engen;
Leicht durch die Mündung geht des Storches Schnabel ein,
Umsonst sucht Reineke die Schnauze durchzuzwängen.
Hungrig geht er nach Haus und mit gesenktem Haupt,
Klemmt ein den Schwanz, als hätt' ein Huhn den Fuchs geraubt,
Und läßt vor Scham sich lang' nicht sehen.

Ihr Schelme, merkt euch das und glaubt:
Ganz ebenso wird's euch ergehen.


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