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5. Der Mann, der seinen Schatz vergräbt, und sein Gevatter

Ein Knauser hatte so viel angehäuft,
Daß, es zu bergen, ihn gar sehr beschwerte.
Der Geiz – der Dummheit ist er Bruder und Gefährte –
Macht, daß in Sorg' umher er läuft,
Wen zum Verwalter soll er wählen;
Denn einen wollt' er. Dies der Grund, welcher ihn trieb:
»Verlockend ist's; das Geld wird sich – es kann nicht fehlen –
Vermindern, wenn's im Hause blieb;
Am Ende würd' ich selbst an meinem Gut zum Dieb!
Zum Dieb? Genießen, heißt denn das, sich selbst bestehlen?
Mein Freund, du tust mir leid, so grundlos dich zu quälen!
Merk' dir's, ich sag' es dir zulieb:
Geld und Gut ist nur gut, weiß man es auszugeben;
Sonst ist's ein Übel. Sprich, hättest du etwa Lust,
Es unnütz für die Zeit des Alters aufzuheben?
Die Mühe des Erwerbs, die Sorg' um den Verlust
Machen's wertlos, obwohl man's nötig hält zum Leben.«
Von solcher Sorgen Qual bedroht,
Tat unsrem Freunde nichts als sichre Leute not.
Er zieht die Erde vor, nimmt den Gevatter eben
Zu Hilf', und beide gehn und graben ein den Schatz.
Nach ein'ger Zeit sucht er sein Geld an jenem Platz;
Er findet nur die leere Stätte.
Mit Recht mutmaßt er, daß es der Gevatter hätte;
Er ruft ihn: »Komm; ich hab' als letzten Bodensatz
Noch ein'ge Heller, die will ich zum andern legen.«
Sogleich eilt jener, das gestohlene Vermögen
Zurückzubringen, denn dann fällt,
So meint er, später doch ihm zu das ganze Geld.
Nun aber, zur Vernunft gekommen,
Behält der andere sein Geld, sich sein zu freun;
Er scharrt und gräbt es nimmer ein.
Doch aus den Wolken fiel der Dieb, der wahrgenommen,
Was für ein Schad' ihm zugefügt.

Leicht zu betrügen ist der, welcher selbst betrügt.


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