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7. Der Hund, der seines Herrn Mittagbrot am Halse trug

Gar schwer nur halten stand den Schönen unsre Augen
Wie unsre Hände blankem Geld;
Nur wen'ge gibt es in der Welt,
Die einen Schatz zu hüten taugen.

Ein Hund, als Bote nach dem Speisehaus gesandt,
Trug seines Herren Mahl, als Halsband umgehangen.
Enthaltsam war er, mehr fast als man konnt' verlangen,
Wenn er 'nen fetten Bissen fand;
Indes, er war's. Und wir? Uns alle voll Begehren,
Kommt uns was Gutes nah, verlockt die Lüsternheit.
Merkwürdig! Einen Hund lehrt man Enthaltsamkeit,
Den Menschen kann man sie nicht lehren!
Der Pudel mit dem Korb geht fürbaß ohne Rast;
Da kommt ein Köter her, der nach den Speisen faßt.
Das ging, so sehr er sich drauf freute,
Doch nicht so schnell: es setzt der Pudel hin die Beute,
Da er sie besser schützt, ist ledig er der Last.
Man kämpft. Jetzt nahen Hund' in Massen,
Die herrenlos sich auf den Gassen
Umtreiben und vor Schlägen sonder Harm.
Der Pudel, welcher sah, zu schwach gegen den Schwarm
Sei er, und der Gefahr das Fleisch nicht zu entreißen,
Wollt' auch sein Teil und rief mit schlauem Überblick:
»Nur ruhig Blut, ihr Herrn! Ich will ja bloß mein Stück,
Ums Übrige mögt ihr euch beißen!«
Den ersten Bissen schnappt er weg bei diesem Wort;
Gleich fallen drüber her der Köter, all' die Meute,
Nach Kräften schmausen alle von der Beute,
Ein jeder trägt sein Teil mit fort.

Ich glaub' hierin zu sehn das Bild einer Gemeine,
Wo man das Geld vertraut der Bürger weiser Wacht:
Schöff, Gildemeister, jeder macht
'nen Schnitt dabei; der Klug' und Feine
Tut's andern vor – es ist ein Anblick, daß man lacht,
Wie so 'nen Haufen Gold sie wegzuputzen wissen!
Will leichter Red' ein Mann von Ehr' und von Gewissen
Das Geld schützen, und bringt das kleinste Wort er vor,
Beweist man ihm, daß er ein Tor.
Nicht lange braucht er sich zu schämen:
Bald ist der Erste er beim Nehmen.


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