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2. Der Schäfer und das Meer

In Amphitrites Näh' lebt', aller Sorgen bar,
Von seiner Herd' Ertrag ein Mann still und zufrieden;
War auch gering, was ihm beschieden,
War's sicher doch und ohn' Gefahr.
Endlich verlockten ihn die Schätze, die ausladen
Er stets am Ufer sah; er schlug die Herde los,
Vertraut im Handel dann des Meeres unsichrem Schoß
Sein Geld, und litt durch Schiffbruch Schaden.
Nun mußt er wiederum die Schafe hüten gar,
Doch nicht als Oberhirt wie ehmals, als die Schar
Der eignen Lämmer er trieb zu des Meeres Gestaden;
Er, der einst Corydon oder ein Tyrcis war,
Ward Pierrot nun von Gottes Gnaden.
Bald hatt' er wiederum ein Weniges an Bar
Und legt's von Neuem an in Schafen.
Einst, da der Winde Gunst das Landen in dem Hafen
Den Schiffen schnellen Stroms und milden Hauchs erlaubt:
»Geld wollt ihr! Ha, wenn ihr was zu ergattern glaubt,
Ihr Nixen« ruft er »müßt ihr's schon bei andern suchen!
Meins kriegt ihr nicht, drauf könnt ihr fluchen!«

Dies ist kein Märchen, das man nur zum Spaß erfand;
Durch die Erfahrung anerkannt,
Lehrt es die Wahrheit klar und offen:
Mehr gilt ein Pfennig in der Hand
Als fünf, auf die man erst soll hoffen.
Begnüge jedermann mit seinem Stande sich.
Locken mit Hoffnungen einst Meer und Ehrgeiz dich,
Verstopf dein Ohr mit Watt' und Werge;
Auf einen, der gewinnt, läßt's tausende im Stich.
Das Meer verspricht dir goldne Berge;
Trau' ihm – es kommen Stürm' und Räuber sicherlich!


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