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7. Der Hof des Löwen

Des Leuen Majestät wollt' gern die Völker kennen,
Zu deren Herrscher ihn der Himmel mocht' ernennen;
Drum lud durch Abgesandte er
Von jeder Gattung die Vasallen,
Und ein Rundschreiben schickt' umher
Mit seinem Siegel er zu allen.
Die Schrift sagt': »Einen Monat lang
Wird der Monarch mit Sang und Klang
Hof halten in des Schlosses Hallen.
Den Anfang macht ein groß Gelag,
Dem ein Hanswurstspiel folgen mag.«
Der Fürst meint, solche Prachtentfaltung
Sei für den Untertan zugleich 'ne Machtentfaltung.
Er nötigt sie zum Schloß hinein.
Welch Schloß! Ein Fleischhaus nur! Allen durch Mark und Bein
Drang der Geruch. Der Bär hielt sich, um sich zu fassen,
Die Nase zu; er hätt's wohl besser bleiben lassen.
Der König hat's bemerkt und schickt, in Wut versetzt,
Zur Unterwelt ihn: dort spiel' er den Eklen jetzt!
Der Affe billigte die Streng' und lobt zuletzt –
Ein Schmeichler, wie er war – des Fürsten Zorn und Kralle;
Er lobt die Höhle auch: denn gegen diese Luft
Wären Ambra und Blumenduft
Nur Knoblauch an Geruch! Die Schmeichelreden alle
Halfen ihm wenig, und auch er kam bald zu Falle.
Majestät Löwe schienen nah
Verwandt wohl mit Caligula.
Der Fuchs stand dicht dabei. »Nun?« fragt ihn wohlgewogen
Der Fürst »Was riechst denn du? Sag's mir nur frank und frei.«
Doch der entschuldigt sich: er sei
Heftig verschnupft, und nichts röch' er, nichts, ungelogen!
Er hat sich gut herausgezogen.
Lernt hieraus, wenn gescheit ihr seid:
Wollt ihr bei Hof euch Gunst erwerben – das ist wichtig –
Nicht fade Schmeichler seid, noch sprecht gar zu aufrichtig;
Gebt meist ausweichend und zweideutig nur Bescheid.


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