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11. Der Adler und die Elster

Der Aar, der Lüfte Fürst, und eine Elster – beide
Verschieden an Gemüt, an Geist, Beredsamkeit,
Und im Kleid –
Flogen einst über eine Heide.
Zufällig treffen sie sich an entlegnem Ort.
Die Elster bebt; der Aar, der satt ist, spricht sofort
Ihr gütlich zu und sagt: »Laß uns beisammen bleiben!
Wenn Jupiter, dem sie die Weltherrschaft zuschreiben,
Der Langenweile Leiden kennt,
Kann ich's wohl auch, da man mich seinen Diener nennt.
Drum komm' ganz ohne Zwang die Zeit mir zu vertreiben.«
Schwatzmäulchen plappert los von diesem und von dem –
Der Mann Horazens, der in stetem Zungenhetzen
Gutes und Böses schwätzt, wenn über Feld er käm',
Hätt' keine Ahnung von der Elster ew'gem Schwätzen.
Von allem wollte sie den Aar in Kenntnis setzen,
Was nur geschäh' auf allen Plätzen,
Ein Hauptspion! Doch schien ihr Vorschlag nicht genehm;
Der Adler spricht zu ihr im Grimme:
»Nein, Schätzchen, bleibe, wo du bist!
Leb' wohl, Klatschmaul, da kein Gehör für deine Stimme
An meinem Hof zu finden ist.
Solche Naturen sind zu schlimme!«
Die Elster hatte ganz genug.

Wer Sehnsucht je, in den Olymp zu kommen, trug,
Bedenk': es bringt dies Glück oft auch die schwersten Plagen.
Spione, Schwätzer, die im Herzen voll von Lug,
Ob äußerlich auch fein, hat dort man auf dem Zug;
Und dennoch muß auch dort, der Elster gleich, man klug
Den Mantel nach dem Winde tragen.


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