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11. Der Pfarrer und der Tote

Still fuhr und ernst ein Toter hin,
Der letzten Ruhestatt entgegen;
Ein Pfarrer eilt mit heitrem Sinn,
Ihn möglichst schnell ins Grab zu legen.
Der Selige erhielt zu Wagen das Geleit,
Gehörig in ein lang und breit,
Ein schwarz Gewand gesteckt – 's wird, ach! der Sarg geheißen,
Ein Winterkleid, ein Sommerkleid,
Das kaum die Toten je zerreißen.
Der Pastor saß an seiner Seit',
Und, um's nach Vorschrift auszuführen,
Sagte manch fromm Gebetlein er,
Manch Stücklein aus der Bibellehr',
Psalmen und Responsorien her:
»Herr Toter, laßt's Euch nicht berühren!
Wir geben Euch nach Brauch alle kirchliche Ehr';
Es ist ja nur um die Gebühren!«
Hochwürden wenden von dem Toten keinen Blick,
Als schützt' er diesen Schatz vor Diebstahls Mißgeschick,
Als sagt' er ihm in seinem Herzen:
»Von Euch, Herr Toter, krieg' ich doch
So viel an Geld, so viel an Kerzen,
So viel an andern Sporteln noch.«
Zu kaufen dacht' dafür ein Fäßchen er im Städtchen
Vom Allerbesten weit und breit;
Ein niedlich Nichtchen und auch Gretchen,
Sein allerliebstes Stubenmädchen,
Sie brauchten jed' ein neues Kleid.
So rechnet er mit Wohlbehagen – –
Ein Stoß! Der Wagen bricht entzwei;
Hochwürden liegen nebenbei,
Des Toten Fall hat ihm den Schädel eingeschlagen,
Das Pfarrkind zieht im Sarg den Pfarrer nach; nicht gern
Folgt der Pastor dem Ruf des Herrn,
Und beide gehn vereint von hinnen.

All' unser Leben, unser Sinnen,
Dem Pfarrer gleicht's, der zählt auf seines Toten Kopf,
Und jenem Milchweib mit dem Topf.


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