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8. Die Gicht und die Spinne

Die Hölle schuf die Gicht und schuf zugleich die Spinne.
»Ihr, meine Töchter, könnt euch rühmen insgemein«
So sprach sie »für der Menschen Sinne
Gleich furchtbar und verhaßt zu sein.
Denkt nach jetzt: wo quartiert ihr euch am besten ein?
Seht hier die niedrig engen Hütten,
Dort die Paläste, schön mit Gold geziert und groß;
Ihr sollt drin wohnen – 's wird kein Widerspruch gelitten.
Hier sind zwei Hölzchen – darf ich bitten?
Wählt eines oder zieht das Los.«
Die Spinne meint: »Nie könnt' solch Hüttchen mir behagen!«
Die Gicht, im Gegenteil, sieht die Paläste, voll
Vom Volk der Ärzt', und denkt: »Wie soll
In Ruh' und Frieden nur ich hier zu hausen wagen!«
Sie wählt das andre Teil, schlägt dort ihr Lager auf,
Setzt sich und macht sich breit auf eines Armen Zehen
Und spricht: »Ich fürchte just nicht müßig hier zu stehen,
Noch treibt Hippokrates von hier, ich wette drauf,
Hinweg mich oder heißt mich gehen.«
Die Spinne setzt sich auf ein Wandgetäfel hin,
So fest, als hätt' sie hier gemietet gleich fürs Leben,
Und spinnt drauf los – seht, seht ihr feines Netz sie weben!
Seht, Fliegen schon als Beute drin!
Da kommt die Magd und fegt es fort mit einem Schlage;
Ein neu Geweb', und gleich ein neuer Besenstrich.
Das arme Tierchen muß ausziehn fast alle Tage –
Umsonst! Zuletzt entschließt sie sich
Und geht zur Gicht ins Haus; doch die war nicht darinnen,
Sie, tausendmal noch schlimmer dran
Als die unglücklichste der Spinnen.
Bald führt Holz hacken sie ihr Wirt, der arme Mann,
Bald graben, roden bald; die Gicht recht abzuhetzen,
Heißt halb schon an die Luft sie setzen.
»Ach, länger halt' ich's hier nicht aus!« ruft sie empört
»Komm, Schwester, tauschen wir!« Wie das die andre hört,
Nimmt sie sie gleich beim Wort und kriecht ins niedre Zimmer,
Wo sie bei ihrem Werk kein rauher Besen stört.
Die Gicht dagegen zieht, des Bessern jetzt belehrt,
Zu einem Bischof, dem für immer
Das Bett zu meiden sie verwehrt.
Umschläg' und Salben nun – helf' Gott! – Ein jedes Leiden,
Der Menschen Torheit macht's nur schlimmer, glaubet mir.
Ganz ihre Rechnung fand so jede von den beiden;
Sie taten klug daran, zu tauschen ihr Quartier.


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