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14. Die Undankbarkeit und Ungerechtigkeit der
Menschen gegen das Schicksal

Ein großer Handelsherr ward reich – er hatte Glück:
Die Winde dienten ihm auf mehr als einer Reise,
Nicht Strudel nahm noch Riff, wie's sonst wohl ihre Weise,
Von seiner War' als Zoll auch nur ein einzig Stück.
Neptun und Atropos – an seinen Kameraden
Übten ihr Recht sie aus, indes Fortunas Gnaden
Stets sicher ihren Freund geführt zum sichern Port.
Treu ward bedient er von Buchhaltern und Kollegen;
Tabak, Zucker und Zimt, des fernen Indiens Segen,
Auch Porzellan verkauft' er gleich an Bord;
Luxus und Mode schwellt den Schatz ihm fort und fort
und seine Taschen goldner Regen.
Doppeldukaten nur waren sein kleines Geld;
Prachtkutschen hielt er, Pferd' und Hund' in seinem Hause,
Sein Fasten glich 'nem Hochzeitsschmause.
Ein Freund, der sah, wie reich sein üppig Mahl bestellt,
Fragt ihn: »Woher kommt all' die Pracht, die hier ich sehe?«
»»Woher denn sonst, als weil ich mein Geschäft verstehe?
Nur mir dank' ich's, dem Mut, der Klugheit und dem Fleiß,
Womit mein Geld ich stets gut anzulegen weiß.««
Es war ihm gar zu wohl, daß immer er gewonnen,
Von neuem wagt er jetzt den früheren Gewinn;
Doch nun kam's anders: nichts ging ihm nach Wunsch und Sinn.
Warum? Weil er zu unbesonnen:
Ein schlecht befrachtet Schiff scheitert auf stürm'schem Meer;
Ein andres hatte nicht genug Waffen und Leute
Und fiel Seeräubern heim als Beute;
Ein drittes kehrte heim, noch schwer
Beladen, da es nichts verkauft hat – nicht geblieben
War Mod' und Luxus wie vorher.
Auch hatten seine Leut' ihn sehr
Betrogen, und er selbst, der's gar zu arg getrieben
Und viel verbaut und mit leichtsinn'ger Freunde Schwarm
Verpraßt, ward nun auf einmal arm.
Sein Freund, der so verarmt ihn sah, fragt jetzt ihn leise:
»Woher kommt dieses?« »»Ach, das Schicksal hat's gewollt!««
Drauf jener: »Tröste dich; und ist es dir nicht hold,
Und bist du glücklich nicht, so sei zum mind'sten weise.«

Weiß nicht, ob er den Rat bedacht;
Doch weiß ich: Jeder wird, was glücklich er vollbracht,
Auf Rechnung seiner Klugheit schreiben;
Und folgt ein Rückschlag dann auf unser töricht Treiben,
Schelten wir das treulose Glück.
So ist die allgemeine Stimme:
Das Gute taten wir, das Schicksal nur das Schlimme;
Stets haben recht wir, stets hat unrecht das Geschick.


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