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3. Die Schildkröte und die beiden Enten

Eine Schildkröte, die etwas schwach von Verstande,
Ward, ihrer Wohnung satt, von Reiselust erfaßt,
Leicht macht zu viel man her von einem fremden Lande,
Leicht wird dem Hinkenden der Heimatsort verhaßt.
Zwei Enten, welche zu Vertrauten
Die Frau Gevatterin gemacht,
Ließen von Hilf' und Rat manch freundlich Wort verlauten:
»Hast du den weiten Weg bedacht?
Sollst nach Amerika durch die Luft mit uns gehen,
Kriegst manche Republik zu sehen,
Manch Königreich, manch Volk; und Nutzen bringt dir's auch,
Wenn hier und dort du schau'st der Fremde Sitt' und Brauch.
Ulyß macht's ebenso.« Wohl wundert's den und jenen,
Hier des Ulysses zu erwähnen.
Gern geht Schildkrötchen auf den Vorschlag ein; nicht faul,
Ersinnt das Vögelpaar 'nen Plan vor allen Dingen,
Die Pilgerin vom Fleck zu bringen:
Sie legen einen Stab derselben quer durchs Maul.
»Halt fest« sagen sie ihr »und hüt' dich loszulassen!«
An jedem Ende faßt den Stab 'ne Ente dann.
Wie die Schildkröte durch die Lüfte fliegt, weiß man
Sich vor Erstaunen kaum zu fassen.
»Schaut dort! Die Königin von dem Schildkrötenvolke«
Rief man »sie schwebt in jener Wolke!«

»»Die Königin! Jawohl, ich bin's; schaut mich nur an,
Und spottet meiner nicht!«« Sie tat viel besser dran,
Hätt' sie geschwiegen und wohl aufgepaßt auf alles.
Wie sie das Maul auftut, läßt fahren sie den Stab;
Sie fällt, und mausetot stürzt sie zur Erd' hinab.
Geschwätz'ge Eitelkeit war Ursach' ihres Falles.

Torheit, Geschwätzigkeit, alberne Eitelkeit
Sowie neugier'ge Albernheit
Sind alle nah verwandt zusammen,
Da sie von gleichen Ahnen stammen.


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