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26. Demokrit und die Abderiten

Wie hab' ich stets gehaßt des Volks Denken und Meinen!
Frech, ruchlos, ungerecht wollt' es mir stets erscheinen:
Es sieht die Dinge stets durch ein gefärbtes Glas
Und mißt die andern nur nach seinem eignen Maß.

Der Meister Epicurs dient dafür zum Beweise.
Sein Volk hielt ihn für toll – niemals, wie allbekannt,
Gilt der Prophet im Vaterland!
Die Leute waren toll, Demokrit war der Weise.
Es ging so weit, daß zu Hippokrates der Staat
Abdera Boten sandt' und bat,
Zu kommen und den einst so hellen
Verstand des Kranken doch, wenn's möglich, herzustellen.
»Demokrit, unser Freund« sagten sie weinend »er
Wird toll, das Lesen raubt ihm den Verstand allmählich;
Wir sähn ihn lieber, wenn er ganz unwissend wär'.
Er meint ja – denk' dir nur! – die Welten sei'n unzählig;
Vielleicht sind gar, nach seinem Sinn,
Zahllose Demokrite drin!
Zu dieser Träumerei kommen noch die Atome,
Kinder 'nes kranken Hirns, unsichtbare Phantome.
Den Himmel mißt von hier er und der Sterne Licht;
Er kennt das Weltall, doch sich selber kennt er nicht.
Ehmals ging noch auf ein Gespräch er ein; jetzt spricht
Er mit sich selbst. Ach, möchst du eilen,
Du großer Sterblicher, den tollen Wahn zu heilen!«
Zwar glaubt Hippokrates nicht allzu sehr daran;
Doch reist er ab. Nun bitt' ich euch, recht acht zu geben,
Wie wunderlich doch oft im Leben
Das Schicksal spielt! Es kam Hippokrates grad' an,
Als der, den alles Volk wahnwitzig schalt, nachsann
Und untersucht' an Mensch und Tieren,
In Kopf und Herz den Sitz des Denkens aufzuspüren.
In tiefem Schatten forscht' an einem stillen Bach
Den Windungen des Hirns er nach.
Zu seinen Füßen lag manch Buch. In tiefes Denken
Versunken, sieht er kaum den hochverehrten Mann
Und Freund zu ihm die Schritte lenken.
Kurze Begrüßung nur, wie man wohl denken kann;
An Zeit und Worten sucht der Weise stets zu sparen.
Nachdem beseitigt bald die Redensarten waren,
Ward über Mensch und Geist gründlich philosophiert;
Wie dann auf die Moral sie kamen,
Kann ich hier weiter nicht auskramen,
Und wie die beiden disputiert.
Doch klar ist der Beweis geführt:
Als schlechter Richter ist das Volk nur anzusehen.
In welchem Sinn ist zu verstehen,
Was ich las: daß zu jeder Frist
Volksstimme Gottes Stimme ist?


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