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5. Die Fledermaus und die zwei Wiesel

Einst kam 'ne Fledermaus höchst unvorsicht'ger Weise
In eines Wiesels Nest; kaum hat sie Zeit zu ruhn,
Als jenes, das schon längst ergrimmt war auf die Mäuse,
Herbeieilt, um sie abzutun.
»Wie?« sprach's zu ihr »Du wagst vor mir hier zu erscheinen,
Du, deren ganz Geschlecht nur Schaden tut dem meinen!
Bist du nicht eine Maus? Wohl hab' ich dich erkannt;
Verleugn' es nicht, du bist's! Daß ich kein Wiesel wäre!«
»»Verzeiht!«« sprach zitternd die »»Auf Ehre,
Das ist wahrhaftig nicht mein Stand.
Ich, eine Maus? Das kann nur ein Verleumder sagen!
Ein Vogel bin ich unbedingt.
Sieh nur die Flügel, die mich tragen –
Hoch leb', was in die Luft sich schwingt!««
Sie sprach so gut, daß man ihr glaubte,
Und daß das Wiesel ihr erlaubte,
Frei fortzuflattern aus dem Nest.
Nicht lang', und Jungfer Leichtsinn klebte
Bei einem andern Wiesel fest,
Das mit den Vögeln just in Fehd' und Feindschaft lebte,
So daß zum zweitenmal nun in Gefahr sie schwebte.
Die lange Schnauze streckt der Hausherr lüstern vor,
Der, als 'nen Vogel, sie zu leckrem Fraß erkor;
Doch sie verteidigt sich und spricht gar treu und bieder:
»Ein Vogel, ich? Seht her! Nein, das ist nicht mein Fall!
Was macht den Vogel? Das Gefieder!
Maus bin ich. Hoch die Ratzen all'!
Der Teufel hol' die Katzen all'!«
So hat durch schlaues Antwortgeben
Zweimal gerettet sie ihr Leben.

Manch Kluger macht's wie sie: wenn die Gefahr ihm nah,
Schlägt er ein Schnippchen ihr, wechselt die Farb' ein wenig,
Und, je nachdem, ruft er: Hurra
Der Republik! Hurra dem König!


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