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11. Der Esel und seine Herren

Ein Gärtneresel hat beim Schicksal sich beklagt,
Daß vor dem Frührot man ihn zwinge aufzustehen.
»Krähn auch die Hähne noch so früh« hat er gesagt
»Mich kann noch früher wach man sehen.
Weshalb? Damit zu Markt das Grünzeug wird geführt.
Ein schöner Grund fürwahr, mir meinen Schlaf zu stören!«
Das Schicksal, das sein Klagen rührt,
Gibt ihm 'nen anderen Platz: statt länger zu gehören
Dem Gärtner, kriegt das Tier 'nen Gerber jetzt zum Herrn.
Der Felle Last und ihr Geruch, schon schlimm von fern,
War's was das dumme Vieh 'nes Bessern bald belehrte.
»Beim ersten Herrn« so spricht's »wär' wieder ich wie gern!
Bei dem, wenn er den Rücken kehrte,
Hat man doch dann und wann erhascht
Ein hübsches Köpfchen Kohl, das man umsonst genascht.
Hier gibt es nichts, und wenn ich 'mal davon was trage,
Sind's Schläge!« Nochmals ward verändert seine Lage,
Da er zu einem Köhler kam,
Der ihn in seine Dienste nahm.
Noch Klagen. »Wie?« hört man das Schicksal zornig sagen
»Fürwahr, dies Langohr quält mich mehr,
Als mich zehn Fürsten könnten plagen!
Meint er, daß er allein so unzufrieden wär'?
Soll ich für ihn nur Sorge tragen?«

Das Schicksal hatte recht. Wir sind nun einmal so:
Mit ihrer Lage sind zufrieden nie die Leute,
Der schlimmste Tag ist stets das Heute,
Und unsrer Bitten wird der Himmel nimmer froh.
Ja, ließ auch alles Zeus nach unsrer Wahl geschehen,
Man würd' ihm doch den Kopf verdrehen.


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