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12. Wie die Tiere dem Alexander Tribut schickten

Ein Märchen war beliebt im Altertum. Warum?
Die Ursach' konnt' ich niemals recht ergründen.
Der Leser ziehe selbst sich die Moral; darum
Will ich es, wie ich's fand, euch künden.

Wie Fama ausposaunt' im Lande weit umher
Von Alexander, Zeus', des Göttervaters, Sohne,
Befohlen hätt' er, daß nichts frei auf Erden wär'
Und alles Volk sich stelle ohne
Verzug vor seinen Herrscherthrone,
Vierfüß'ge Tiere, Mensch, Gewürm und Elefant
Und selbst der Vögel freier Stand –
Wie also, sag' ich, die Posaune
Der Göttin Schrecken nah und fern
Verbreitete mit dem Befehl des neuen Herrn:
Meinten die Tiere, und was seiner Laune
Sonst lehenspflichtig war, man müsse diesmal noch
'ne andere Auskunft finden doch.
Man eilt zum Wüstentag, leer stehen Höhl' und Löcher.
Nach manchem Streit beschließt man endlich kurz und gut,
Zu senden Huld'gung und Tribut.
Als Abgesandten und als Sprecher
Wählt man den Affen und gibt schriftlich klar und nett
Ihm auf, was er zu sagen hätt'.
Nur der Tribut macht ihnen Sorgen:
Was soll man geben? Jedenfalls doch Geld.
Ein Fürst, in dessen Reich ein Feld
Mit Minen, drinnen Gold geborgen,
Leiht höchst gefällig her, was man begehrt.
Nun fragt sich's noch: wie schafft man fort die Last voll Wert?
Maultier und Esel bieten ihren
Tragfäh'gen Rücken an, auch Pferd und Dromedar;
Und so zieht ab mit diesen vieren
Der Affe, der Gesandter war.
Die Karawane trifft im Hohlweg unter andern
Des Löwen Majestät – das däucht ihr ziemlich schlecht.
»Wir treffen hier uns eben recht!«
Spricht er »nun können wir vereint mitsammen wandern.
Allein wollt' meinen Teil für mich
Ich bringen. Ist's auch leicht, macht's mir doch Unbehagen;
Drum seid so gut, es mir zu tragen,
Ein Viertel nehm' ein jeder sich.
Auf diese Art wird euch nicht allzu schwer die Last sein,
Und ich hab' freie Hand und kann dann treu und hold
Zur Seit' euch stehn – man muß auf Räuber hier gefaßt sein –
Wenn's ja zum Kampfe kommen sollt'.«
Abweisen einen Leu'n ist stets ein schwerer Posten:
Man nimmt ihn auf, man hegt und pflegt um jeden Preis
Ihn; trotz dem Helden, der entsproß dem Vater Zeus,
Lebt er gleich einem Gott auf allgemeine Kosten.
Man kommt zu einem Wiesengrund,
Von Bächlein rings umsäumt, geschmückt mit Blumen bunt,
Wo muntre Lämmer Nahrung finden,
Von frischer Kühlung und von lauen Winden
Durchweht. Kaum angelangt, fühlt krank der Löwe sich –
So mind'stens klagt er list'ger Weise:
»Setzt ruhig fort nur eure Reise«
Spricht er »ein Feuer brennt, ich fühl's, mir innerlich;
Ich bleib' einstweilen hier und such' heilkräft'ge Kräuter.
Verlieret keine Zeit um mich;
Gebt mir mein Geld zurück, ich brauch's vielleicht noch weiter.«
Sie packen aus; da ruft der Leu mit einem Hohn,
Der Zeugnis gab von seiner Tücke:
»Ha! Wie viel Kinder mir die Gold- und Silberstücke
Geboren! Seht, beim Zeus, die meisten sind ja schon
Beinah so groß wie ihre Mütter!
Mein ist der Zuwachs!« und nimmt alles unverkürzt;
Wenn alles nicht, blieb doch nur wenig – das war bitter!
Die Fünfe standen ganz bestürzt,
Bis sprachlos wiederum sie auf den Weg sich machten.
Man sagt, daß Klage sie beim Sohn des Zeus anbrachten,
Doch nicht mit Recht, trotz aller Reu'.

Was sollt' er tun? Hier galt es nur: Leu gegen Leu!
Ein altes Sprichwort sagt, wie oftmals wir vernommen:
Dieb gegen Dieb im Streit, wird beiden schlecht bekommen.


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