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15. Philomele und Prokne

Prokne, die gute Schwalbenseele,
Flog einst vom Lärm der Städte fort
Zu eines Waldes stillem Ort,
Wo einsam tönt das Lied der armen Philomele.
»Nun, liebe Schwester« spricht Prokne »wie geht es dir?
Hat man bald tausend Jahr doch nichts von dir vernommen!
Ich wüßte wahrlich nicht, daß du je wärst gekommen,
Seit unsrer Thrazier-Zeit, und hätt'st gewohnt bei mir.
Wie denkst du künftig nun zu leben?
Denkst diese Einsamkeit du nimmer aufzugeben?«
»»Wo«« fragte Philomel' »»ist's schöner wohl als hier?««
Prokne erwidert: »Wie? Der Zauber deiner Kehle
Erkläng' den Tieren nur hinfort,
Höchstens 'ner armen Bauernseele?
Für solche Gaben wär' 'ne Wüste wohl der Ort!
Komm in die Stadt, dein Licht laß leuchten vor den Leuten.
Des Waldes Anblick tut nicht gut;
Hier denkst du stets daran, wie Tereus' wilde Glut
In ähnlichen Waldeinsamkeiten
Einst deinem Liebreiz Schmach und Schimpf hat angetan.«
»»Just die Erinnerung der Schmach, die so vermessen
Mir angetan, macht, daß ich dir nicht folgen kann;
Denn, ach! seh' ich die Menschen an,
Kann ich's viel wen'ger noch vergessen!««


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