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8. Der Geier und die Tauben

Mars stiftet' Aufruhr einst in Lüften droben.
Ein Streit hat bei den Vögeln sich erhoben –
Bei denen nicht, die uns der Frühling bringt,
Und deren Beispiel unterm Blätterdache
Sowie der Sang, der ihrer Kehl' entklingt,
Bewirkt, daß Venus neu in uns erwache;
Noch die an ihren Wagen spannt als Paar
Amors Gebärerin – der Geier Schar
Mit krummen Schnäbeln und mit scharfen Krallen
War um 'nen toten Hund in Streit verfallen.
Es regnet Blut – ich übertreibe nicht;
Wollt' Zug um Zug ich alles im Gedicht
Schildern, möcht' wohl der Atem mir vergehen.
Manch Heldenhaupt erlitt den blut'gen Tod;
Geschmiedet an den Fels, hofft seiner Not
Prometheus jetzt ein Ende bald zu sehen.
Es war 'ne Lust, das Ringen anzuschau'n;
Ein Jammer war's zu sehn das Todesgraun.
Mit Kraft, Gewandtheit, List und Kriegeskniffen
Ward hier gekämpft. Von grimmer Wut ergriffen,
Haben die beiden Heere nichts gespart,
Bevölkerung zu schaffen für die Lüfte,
Welche die Schatten atmen; dicht geschart
Erfüllten sie das öde Reich der Grüfte.
Des Streites blinde Wut rief allgemach
Das Mitleid eines andern Volkes wach
Mit buntem Hals und zärtlich treuem Herzen,
Durch seine Mittlerschaft dem Ungemach
Ein Ziel zu setzen und des Kampfes Schmerzen.
Gesandte schickt das Volk der Tauben nach
Dem Feld, die trefflich ihre Sache machten:
Die Geier hörten auf sich abzuschlachten;
Sie schlossen Waffenstillstand, Frieden dann –
Doch, weh! zum Schaden jener Unschuldsvollen,
Denen sie dankbar hätten huld'gen sollen.
Unter den guten Tauben nun begann
Das Räuberpack ein Blutbad anzurichten,
Es rottete sie aus in Stadt und Land.
Die Ärmsten zeigten nicht sehr viel Verstand,
Eines so wilden Volkes Zwist zu schlichten.

Die Bösen trenne; das nur ist imstand,
Zur Sicherheit der übrigen zu dienen.
Zwietracht sä' unter sie, da sonst mit ihnen
Sich nie und nirgend Friede halten läßt.
Dies nur beiläufig; Schweigen ist der Rest.


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