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13. Der Landmann und die Schlange

Äsop erzählt: Ein Bauer, der
Gutmütig, doch nicht sehr gescheit war,
Ging einst auf seinem Gut umher,
Da's just recht harte Winterszeit war,
Als er 'ne Schlange sieht, im Schnee dahingestreckt,
Vor Frost erstarrt, gelähmt und schon beinah verreckt,
Dem Tod verfallen ohne Schonung.
Der Landmann nimmt sie auf, trägt sie nach seiner Wohnung,
Und ungedenk des Lohns den solche Wohltat wert,
Und ob er ihn auch würd' erheben,
Legt er sie warm auf seinen Herd
Und bringt sie so zurück ins Leben.
Kaum fühlt das Tier sich frei von der Erstarrung Bann,
Als mit dem Leben ihr die Wut zurückgegeben:
Es hebt das Haupt empor, es fährt ihn zischend an,
In langer Windung drauf springt los es auf den Mann,
Der sein Wohltäter, der ihm neu geschenkt das Leben.
»Ist das der Lohn« spricht der »den du mir denkst zu geben?
Stirb, Undankbare!« Drauf in höchst gerechtem Haß
Greift er nach seinem Beil, und mit zwei guten Hieben
Macht er aus ihr drei Schlangen, daß
Kopf, Rumpf und Schwanz getrennt nun blieben.
Noch springend sucht der Wurm zu einen, was zerstückt;
Es ist jedoch ihm nicht geglückt.

Es ist wohl gut, sich Dank erwerben;
Allein von wem? Das fragt sich hier.
Die Undankbaren sehen wir
Fast immer doch im Elend sterben.


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