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15. Der Ehemann, die Frau und der Dieb

Ein Gemahl, der sehr verliebt,
Sehr verliebt war in sein Weibchen,
Fühlt, ob sie sein auch war, sich dennoch sehr betrübt.
Kein trauter Blick von seinem Täubchen,
Kein Schmeichelwort, wie Lieb' es gibt,
Kein Lächeln und kein hold Erbarmen,
Das gleich zum Gott gemacht den Armen,
Bezeugten ihm, daß Lieb' er je ihr abgewann.
Glaub's wohl; er war ein Ehemann.
Ihm war's von Hymen nicht beschieden,
Daß er, mit seinem Glück zufrieden,
Den Göttern Dank dafür geweiht.
Ja, wenn die Liebe nicht der Ehe
Wonnen uns würzet, dann verstehe
Ich nicht, welch Glück sie uns verleiht.
Die Frau war nun mal so; und da es ihr behagte,
Daß jede Liebkosung dem Gatten sie versagte,
Beschwert' in einer Nacht er bitter sich. Ein Dieb
Stieg ein und unterbrach das Klagen.
Das arme Weibchen aber trieb
Die Furcht: sie warf vor Angst und Zagen
In ihres Gatten Arme sich.
»Dies süße Glück« rief er »Freund Dieb, blieb ohne dich
Mir ewig unbekannt! Zum Lohn nimm, was nur tragen
Du kannst von unserm Gut und was dir mag behagen;
Die ganze Wohnung nimm!« Spitzbuben dieser Art
Sind nicht verschämt noch allzu zart.
Der machte seinen Schnitt.

Und was der Fall bewiese?
Die allerstärkste Leidenschaft
Ist Furcht: sie bändiget des Widerwillens Kraft,
Oft die der Liebe selbst; oft freilich siegt auch diese.
Beweis: jener Liebhaber, der
Sein Haus anzündet, um sein Liebchen zu umschlingen,
Die er den Flammen mußt' entringen.
Solch heißes Blut, ich lieb' es sehr,
Und die Erzählung rührt mich immer mehr und mehr;
Es weht ein Hauch drin span'scher Minne,
Von hohem mehr als tollem Sinne.


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