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19. Das Kind und der Schulmeister

Die Fabel hier und ihre Spitze zielt
Auf jene Narren, die stets Reden halten.

Ein Knäblein, das am Seine-Ufer spielt,
Fiel in den Fluß. Des Himmels gnädig Walten
Fügt, daß ein alter Weidenbaum, der hart
Am Ufer stand, des Kindes Rettung ward.
Indes das Kind den Weidenzweig mit Bangen
Erfaßt, kommt ein Schulmeisterlein gegangen.
Das Kind schreit: »Hilfe! Hilf! Ich muß vergehn!«
Auf sein Geschrei bleibt der Magister stehn,
Und mit dem Pathos eines Advokaten
Schilt er den Kleinen: »Seht den Fratzen doch,
Wohin durch seine Dummheit er geraten!
Um solchen Schelm soll man sich kümmern noch!
Die armen Eltern, deren Pflicht im Leben,
Auf solch Gesindel immer acht zu geben!
Sie haben wahrlich einen schweren Stand!«
Sprach's, und drauf setzt den Kleinen er ans Land.

Viel gibt's der Art, wenn auch mit andrem Namen:
Der Schwätzer, Splitterrichter, der Pedant,
Die wohl ihr Bild erkannt in diesem Rahmen –
Unzählbar sind sie wie des Meeres Sand,
Gesegnet hat der Schöpfer ihren Samen.
Die Sorte denkt nur stets zuerst daran,
Der Rede Künste zu entfalten.
Erst rette, Freund, mich aus der Not, und dann,
Dann magst du deine Rede halten!


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