Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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186. Der Mohr

Ein alter Mohr kam am späten Abend vor das Haus eines Kaufmanns und sagte mit flehender Stimme: Der Herr, dem ich zwanzig Jahre treulich gedient habe, hat mich fortgeschickt, weil ich alt bin und nicht mehr arbeiten kann. Nun muß ich ohne Obdach umherirren und mein Stücklein Brot vor den Türen gutherziger Menschen betteln. Erbarmt Euch doch meiner, gebt mir einen Bissen Brot und behaltet mich über Nacht. Der Kaufmann, seine Frau und seine Kinder hatten mit dem schwarzen Manne großes Mitleid. Das kleine Lottchen sagte jedoch: Wenn er nur nicht so schwarz aussähe! Ich fürchte mich fast vor ihm. Auch darf man ihm kein Bett geben; er würde es rußig machen. Lottchens Geschwister lachten. Der Vater aber belehrte das Kind und rief den Mohren herein, ließ ihm zu essen geben und ihm eine Schlafkammer anweisen. Um Mitternacht ward der Mohr von einem leisen Geräusche aufgeweckt, und sieh – zwei Räuber stiegen zum Kammerfenster herein, und ihre Schwerter blinkten im Mondlichte. Der Mohr sprang auf und schrie mit tiefer fürchterlicher Stimme: was wollt ihr? Die Räuber erschraken über die schwarze Gestalt, glaubten den bösen Geist zu sehen und sprangen eilends zum Fenster hinaus. Sie beschädigten sich aber auf dem Steinpflaster so arg, daß sie nicht weiter konnten, eingefangen und für ihre bösen Taten bestraft wurden. Zu dem Mohren aber sprach der Kaufmann: Du sollst nun für immer in meinem Hause bleiben und deine alten Tage bei uns in Ruhe zubringen. Denn für die kleine Wohltat, die wir dir erwiesen, hast du uns eine sehr große erzeigt. Ja, Gott hat unsere Gastfreundschaft gegen dich reichlich belohnt und dich, du guter schwarzer Mann, zu unserem Schutzengel ausersehen, uns und das Unsrige gegen Mord und Raub zu beschützen.

Wer Dürftigen mit Freundlichkeit begegnet,
Der wird vom Höchsten wiederum gesegnet.


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