Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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171. Das Gespenst

Martin schlich sich um Mitternacht in den Schloßgarten, füllte zwei Säcke mit Obst und wollte nun zuerst den einen Sack nach Hause tragen. Wie er mit dem Sacke so längs der Gartenmauer hinging, schlug es auf dem Kirchturme eben zwölf Uhr. Die Luft rauschte gar schauerlich in dem Laube der Bäume, und Martin erblickte plötzlich neben sich einen schwarzen Mann, der dienstfertig den andern Sack zu tragen schien.

Der erschrockene Dieb tat einen Schrei, ließ den Sack fallen und sprang, was er konnte. Der schwarze Mann ließ den Jack auch fallen und sprang ebenso schnell neben Martin her bis an das Ende der Gartenmauer, wo der Mann verschwand. – Martin erzählte am nächsten Morgen überall von dem gräßlichen Gespenste; nur, daß er gestohlen habe, verschwieg er. Allein der Amtmann ließ den Martin noch am nämlichen Tage kommen und sagte zu ihm: Du hast heute nacht in dem Schloßgarten Obst gestohlen. Die Säcke, auf denen deines Vaters Namen steht, haben dich verraten. Ich werde dich deshalb in den Turm sperren lassen. Das schwarze Gespenst aber, das du zu sehen glaubtest, war weiter nichts als dein Schatten, den du, da um Zwölf Uhr der Mond aufging, an der neugeweißten Gartenmauer erblicktest.

Wer unrecht tut, ist nie ohne Furcht; den Uebeltäter erschreckt ein rauschendes Blatt, und er läuft vor seinem eigenen Schatten davon.

Bewahr' ein unbefleckt Gewissen,
so wirst du niemals zittern müssen.


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