Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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181. Der bekehrte Sünder

Das fromme Fräulein von Wall lebte auf ihrem Landgute, eine Meile von der Stadt. Eines Abends, da sie schon im Bette lag und wie gewöhnlich noch in einem Andachtsbuche las, kam eine Kutsche vor dem Hause angefahren. Das Fräulein wurde zu einer kranken Freundin in die Stadt geholt und fuhr mit ihrer Kammerjungfer und ihrem Bedienten auch eilends dahin ab. Ein Dieb benutzte diese Gelegenheit, stieg auf einer Leiter zum Fenster hinein in das Zimmer des Fräuleins, zündete vermittelst eines Feuerzeuges, das er bei sich trug, Licht an und blickte nach Kostbarkeiten umher, um sie in seinen Quersack zu stecken. Da sah er auf dem Nachttischlein neben dem Bette das offene Gebetbuch liegen, bei dem ein Leuchter mit der ausgelöschten Kerze stand. Er sah in das Buch hinein und las die Worte: Lieber Gott! Möchte ich diesen Tag ohne Sünde zugebracht haben – wie sanft würde dann mein Schlaf sein! Möchte ich mein ganzes übriges Leben ohne Sünde zubringen – wie würde dann selbst der Tod, der dem Menschen so bitter ist, für mich nichts anderes sein, als ein sanfter Schlaf! Diese Worte gingen dem Diebe so zu Herzen, daß er alles liegen und stehen ließ, zum Fenster hinaus eilte und von der Zeit niemals mehr, auch nur eines Kreuzers wert stahl. Auf seinem Sterbebette erzählte er diese Geschichte seinen Kindern und ermahnte sie, das Wort Gottes immer im Herzen zu tragen und recht oft andächtig zu beten.

Wen sollt' Gebet und Gottes Wort nicht rühren,
Wen nicht zurück auf Gottes Wege führen?


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